Freitag und nein 

Ich hänge immer wieder meinen Gedanken nach. Muss mich losreißen und mich auf meine wenigen Handgriffe in der Küche konzentrieren. 

Heute in der WA-Gruppe – Von Wildunfall, über Motorradunfall zum Tod und zurück. Unfälle die ich erlebt habe, mal nachdenken. Als Teenie wurde bei uns vor dem Haus ein Motorradfahrer umgemäht. Notruf gewählt, hingeflitzt. Wir haben direkt an der B27 in Göttingen gewohnt. Unfälle waren da keine Seltenheit und die Straße war damals auch noch nicht ausgebaut. Es waren schon eine Menge Leute da, ein Arzt war auch darunter. Also haben wir, meine Schwester und ich, das gemacht was uns sinnvoll erschien – den Massen an Autos die Möglichkeit gegeben den Unfallort zu umfahren. Hoftor geöffnet, hier könnt ihr wenden, da gehts lang. 

Ich habe mich bisher immer bemüht zu helfen, mein Hirn schaltet da automatisch um. Ansonsten Unfälle auf der Autobahn. Wird sind in den Somemrferien zu meiner Cousine gefahren, wir sind an einem schweren Verkehrsunfall vorbei gekommen. Ich kann mich noch erinnern, daß mit weißen Laken abgedeckte Personen an der Mittelleitplanke lagen. 

Auf einer Fahrt nach Bremen zu meinem Therapeuten stand auf der anderen Seite ein LKW auf der Mittelspur. Ein PKW stand einige Meter davor auf dem Seitenstreifen. Vor dem LWK eine riesen Blutlache und darin der Fahrer des PKW. Ich war fasziniert davon was das Gehirn in den Sekundenbruchteilen der Vorbeifahrt aufnahmen konnte. Es war gerade frisch passiert, es gab also noch keinen Gafferstau. Mein Mann selbst hatte den Unfall nicht einmal richtig wahrgenommen. Ich habe das Auto stehen sehen und mich gefragt wie das zu dem Unfall passt. 

Ich war dabei als die Oma meines Ex-Freundes gestorben ist. Meinen Opa habe ich auch tot gesehen. Wie Wachs. Während meiner Ausbildung habe ich bis zu den Ellbogen in einer Schüssel menschlicher Eingeweide gehangen – frische Sektion. Wird sollten alles einmal anfassen können. Bekanntschaft mit einer veflüssigten Leiche habe ich auch gemacht. Der Gute ist einfach während eines sehr heißen Sommers Anfang der 2000er in seinem Sessel verstorben. Der Geruch war schon abartig. 

Verschiedene Suizide, bzw. die direkten Folgen davon. 

Das aller schlimmste war aber der Tod meiner Mini. Es war grausam und faszinierend. Als die Haut unter dem Fell nicht mehr rosa war sondern blassblau, als diese Lebendigkeit aus ihrem Körper heraus war und nur noch diese leblose Hülle in ihrem Körbchen lag. Diese so andere Gefühl, einen toten Körper zu berühren. Es verhält sich ganz anders. Keine Muskelspannung mehr drin, alles schlaff. Man sieht einem Lebewesen einfach an ab es tot oder lebendig ist. 

So wandern meine Gedanken. Ganz ohne Tränen oder Emotionen, einfach als Bilder in meinem Kopf. Währenddessen räume ich die Spülmaschine aus und fange an die Fugen der Bodenfliesen mit einer Zahnbürste zu schrubben. Leben kommt, Leben geht und dazwischen viel Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit. 

Ich habe auch keine Lust mehr die Fliesen zu schrubben. Es ist eh zwecklos. Einmal mehr frage ich mich was die Vormieter hier getrieben haben. Die Fliesens sehen teilweise aus als hätte man sie mit nem Presslufthammer gewischt. Was weiß ich warum ich damit angefangen habe. Ich bin unentschlossen wie es jetzt hier in der nassen Küche weiter gehen soll. Entscheide mich dann für eine Pause, ich brauche nen Schluck Kaffe und muss meine Gedanken zu Blog bringen. Ich kann da nachher nochmal drüber wischen. Staubsaugen  muss ich eh noch. Siedendheiß fällt mir ein, daß mein Mann heute seinen letzten Arbeitstag hat. Er hat diesjahr noch soviel Urlaub und Überstunden, daß er sich nächste Woche frei genommen hat. 

Wie cool.

Cousinchen und Schwiegersin warten auch auf Antwort auf meine Dateanfrage. Das ist gestern irgendwie unter gegangen. 

Für nächste Woche ist ein klitzekleiner Ausflug geplant. Wir fahren Richtung Hanau, im Anschluss an unseren Termin dort, gehts zu Mama. Da warten dann hoffentlich ihr Mann, mein Schwesterherz und mein Neffichen auf uns. Ich freue mich sehr alle Mann wiederzusehen. 

Statt hier herum zu sitzen, sollte ich mich an meine Weihnachtsbasteleien machen, Nikolausi und Adventskalenderfüllungen wollte ich dann schon mal unter die Leute bringen. 

Ich werkel überall im Haus rum, ohne zu wissen was ich eigentlich mache. Gehe mein Logbuch durch, mache irgendwas in der Küche und renne dann wieder in den Keller um in der Kühltruhe zu wühlen. Heute kriege ich keine Struktur in den Tag. Ich bin einfach wieder zu verwirrt.  

Ich drücke mich schon wieder vor meinen Alltagspflichten. Es ist gleich zwölf Uhr. Gefühlt habe ich nichts geschafft und noch einen epischen Berg vor mir. 

Irgendwie schaffe ich doch alles. Ich spüre wie hoch mein Stresslevel ist, ich seuftze immer wieder laut – Stressabbau. Ich gehe in den Keller. Nicht nur die nichtvorhandene Tiefe meiner Kniebeugen, auch der gefühlt zentner schwere Dämon, der es sich auf meiner Langhantel bequem gemacht zu haben scheint, lässt mich verzwifeln. Immer wieder muss ich mein Training unterbrechen, weil Tränen und Panik in mir aufsteigen. 

Die nicht zufriedenstellenden Kniebeugen, heute ist es egal wie viel Gewicht es ist, ich klappe einfach mit meinem Oberkörper nach vorne, versuche ich durch eine Extrarunde Seilsquats wieder wett zu machen. Auch der Beinbeuger wird bearbeitet bis sich der Muskel wie ein einziger Krampf anfühlt. 

Bevor ich den Keller verlasse, hänge ich die Wäsche ab. Samt Korb geht es gleich hoch ins Badezimmer. Ich erwische mit der Schulter den Türrahmen, dann mit dem Ellbogen den Handtuchhalter. Nein. Nein. Nein. Ich muss mehrfach tief durchatmen um nicht laut zu schreien. Nicht weil es so weh tut, einfach aus purer Verzweiflung. 

Es wird höchste Zeit für mein Essen. Mein Oatmeal ist zum Porridge geworden. Mag ich in dieser Form gerade lieber. Ich muss nicht erwähnen, daß mir bei der Vorbereitung der Hänkel meines geliebten kleinen Topfes abgebrochen ist… Seit ich meinen eigenen Haushalt habe begleitet er mich.

Nein. Ich bleibe vorerst bei nein. Ziehe mich mit meinem weniger geliebten Topf voll Porridge aufs Sofa zurück und gucke meine Serie. 

Tschüss

vor 6 Jahren

2 Kommentare

  1. Liebe Christiane,
    wenn Zeit ist zwischen den Terminen in Hanau, Wenn es überhaupt das Hanau in Hessen ist, wenn Du magst, wenn Du kannst, sei es auf nen Kaffee oder eine Umarmung, meld Dich ….

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