Rückblick und darin verloren

Die Zeit vergeht so schnell und doch unheimlich langsam. Es ist so unglaublich viel passiert in den letzten Jahren. Es müssen Jahrhunderte sein…

Vor fünf Jahren haben wir auf den erlösenden Anruf der Tierklinik Lüneburg gewartet. Marie war dort zu einer Routine-OP. Für Kurzschnäuzer ist Lüneburg einfach eine der besten Adressen. Marie wollte nicht aus der Narkose aufwachen. Tag und Nacht hat jemand bei ihr gesessen und sie überwacht. Sie hat nicht selbstständig geatmet – Kehlkopfkrampf.

Es sah wirklich nicht gut aus.

Von Muse bis Hochzeit

Dann wurde sie doch wieder wach und wir durften sie nach Hause holen. Zeitgleich stand ich auf der Warteliste für meinen ersten stationären Aufenthalt. Ich habe bei meinem Mann mit in der winzigen Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Dreihäuserdorf bei Soltau gewohnt. Direkt am Heide Park. In der Saison habe ich mich auch dort beworben – ich konnte es nicht hinnehmen nicht mehr arbeiten gehen zu können. Zu Fuß, quer durch den Wald, war ich binnen 10 Minuten am Gelände. Wenn der Wind günstig stand, konnte man Colossos fahren hören. Ich wurde als Operator an der Limit eingestellt – GEIL! Bis zum Saisonstart habe ich es nicht geschafft. Ich habe von Anfang an kein Geheimnis aus meiner Erkrankung gemacht und auch gesagt, daß ich auf der Warteliste für einen längeren stationären Aufenthalt stehe.

Ich erinnere mich, daß ich am Tag des Bewerbungsgespräches vor der Krake stand und mit der Tierklinik telefoniert habe.

Es folgten später ein paar spannende Tage im Heide Park – Es war ziemlich aufregend, den Park menschenleer kennen zu lernen, die Notwege der einzelnen Fahrgeschäfte zu erkunden und überhaupt einmal hinter die Kulissen zu gucken. Colossos und Krake wurden bestiegen. Ich hätte wirklich gern dort gearbeitet. Das Spaßknöpfchen drücken! Großartig.

Marie war inzwischen wieder zuhause. Kurz darauf kam sie wieder in die Tierklinik – Lungenentzündung. Sie war sehr lang in der Klinik und hinterher nur noch ein Haufen Haut und Knochen.

Meine Karriere als Operator im Heide Park fand ein jähes Ende. Von heut auf morgen schaffte ich den Weg nicht mehr und ich ging in die Klinik.

Mein Mann war in der Zwischenzeit damit beschäftigt ein Haus für uns zu finden. Die Gegend war unglaublich – wir waren praktisch direkt in der Heide. Unsere Wohnung war vielmehr ein Graus.

Kurz nach meinem Klinikaufenthalt – 12 Wochen – wobei ich etwas 3 Wochen pausieren musste, da hatte es mich ziemlich heftig erwischt – sind wir umgezogen. Es ging für uns in die Nähe von Walsrode. Auch ewig viel Gegend, aber dafür ein kleines Haus mit unendlich viel Garten. Perfekt für meine beiden Bulletten. Das Haus war auf einer Seite von nichts als Bäumen und einem Pfad zur Pferdeweide umgebenen. Auf der anderen Seite grenzte die Weide der Jungkühe, natürlich auch die Pferdeweide. Zur Straße ging es über einen Schweinehof. Also praktisch mitten im Nichts umgeben von Tieren.

Knoppesmix – Igel und Taube

Wir waren keine Woche da, als wir uns von Marie trennen mussten. Die Beißereien – wir hatten fast ein Jahr Ruhe gehabt – wurden so schlimm, daß wir keine andere Möglichkeit sahen. Wir haben wirklich alles versucht gehabt. Wir wollten keinen der beiden “aufgeben”. Nicole Werth von Doginson hat mir dann wirklich deutlich gesagt, daß meine beiden Mädels fantastisch sind. Beide zusammen, jede für sich, ABER nicht mit mir! Ich bin das Problem. Marie blieb bei Doginson, Nicole fand ein wunderbares neues Zuhause – ich habe sie nie wieder gesehen – ich konnte nicht. Ich wollte nicht. Es erschien mir auch nicht fair. Marie ist immer da wo Aktion ist. Eine wirklich enge Beziehung hatte sie vor allem zu ihrem Ball und jedem der schneller laufen konnte als sie.

Mein Neffe wurde geboren. Ich hatte zwischenzeitlich keinen Kontakt mehr zu meiner Schwester und zu meiner Mom. Es war wichtig. Sehr wichtig für mich. Ich bin froh, daß wir inzwischen wieder Kontakt haben. Jeden Tag.

Schwiegermama ist gestorben.

Mein Mann und ich haben uns verlobt und geheiratet, dann folgte wieder ein Umzug – mal wieder. Es hat uns nach Hannover verschlagen. Diesmal für länger. Es war auch wirklich an der Zeit. Wir sind in den letzten Jahren so oft umgezogen. Kaum ein Jahr an einem Ort. Das belastet.

Kontakt zu meinen Großeltern ist wieder gewachsen und genauso schnell wieder weg gewesen. Meine Cousine hat geheiratet. Ich habe mir eine Retraumatisierung eingefangen – einfach durch ein Gespräch mit meinem Therapeuten. Den habe ich inzwischen auch nicht mehr. Leute kommen und Leute gehen…. Jeder hinterlässt seine Spuren.

Mein Mann hatte seinen beinahe Herzinfakt. Ich habe angefangen aus meinem Tagebuch einen richtigen Blog zu machen.

Heute vor einem Jahr… mussten wir uns langsam der Gewissheit stellen, daß Rebeca nicht unsterblich ist. Vor einem Jahr hatte sie den Grand Mal Anfall und wir sind noch in der selben Nacht in die Tierklinik Hannover. Dort musste sie bleiben und als sie wieder nach hause kam, war es kaum mehr unser Hundchen. Damals sind wir davon ausgegangen, daß sie vielleicht noch ein paar Wochen hat. Solang es die Aorta noch durchhält. Sie hatte tumoröse Veränderungen an den Nieren und diese sind in das Hauptversorgungsgefäß eingebrochen. Das Gefäß war porös geworden. Sie wäre binnen Minuten verblutet. Darauf haben wir uns vorbereitet.

Dann ging doch alles viel schneller. Es muss auch einen Tumor im Gehirn gegeben haben. Die Tierärztin kam und hat sie hier im Wohnzimmer eingeschläfert. Keine Stunde später wurde sie abgeholt und wir saßen im nächsten Flieger nach Schottland. Ich habe mir nicht träumen lassen, daß ihr Verlust mir so sehr zu schaffen macht. Nach heute ist es wie eine offene Wunde. Die einfach nicht heilen will.

Und jetzt liegt neben mir ein neues kleines Wesen, bereit sein ganzes Leben mit uns zu verbringen. Erst drei Wochen hier – gefühlt schon länger.

Ich fühle mich oft, als würde ich auf der Stelle treten. Kein Vorankommen sehen. Dabei passiert so viel. Nicht nur um mich herum sondern auch in mir. Mit mir. Viel langsamer als ich hoffe und doch geht es voran Schritt für Schritt. Stück für Stück. Mal zurück. Mal auf. Mal Ab. Doch immer weiter vorwärts.

Die nächsten Tage werden sehr hart werden. Auch wenn Lex da ist um mich abzulenken. Ist es doch Rebeca die meine Gedanken dominieren.

Ich bin so angespannt, daß ich zittere. Mein Hals ist wie zugeschnürrt. Ich muss dringend mit Lex raus. Nicht in den Garten. Ins Feld. Ich kann nicht. Ich kann keinen Schritt vor die Tür setzen. Es geht nicht. Das baut zusätzlich Druck auf. Lex soll doch die Welt kennen lernen.

Auch heute lasse ich Training Training sein. Ich kann nicht. Ich habe Bauchweh und fühle mich nich immer schlapp. Abgesehen davon, daß ich heute Nacht unheimlich stark geschwitzt habe, war sie gut. Vorallem für Lex. Er ist gestern Abend im Bett zur Ruhe gekommen und hat dann den ersten Teil der Nacht bei offener Tür in seiner Box geschlafen. Das ist wirklich gut! Er lag zwischen uns. Nicht still, aber er war weder überdreht noch hat er Aufmerksamkeit gefordert. Er hat zweimal tief geseuftzt – Entspannung. Toll! Das ist ein großer Schritt!

Mir wird heute einfach nicht warm. Die Kälte wohnt in meinen Knochen. Da hilft kein heisser Tee und auch kein heisser Pudding. Kalt. Kalt. Alles ist so kalt. Viele Decken und Augen zu. Lex ist großartig. Dann wird er anstrengend. Bellt und knurrt. Besen ist nein. Das arbeitet gerade in ihm. Mich kostet es alle Kraft. Soviel Kraft, daß ich meinem Mann sage, daß er bitte kommen soll. Ich muss weg. Am liebsten den Raum verlassen. Lex hier lassen.

Dann schläft er ein. Ich schlafe ein. Mein Mann ist da. Wir gehen raus – zusammen. Lex ist wild. Beruhigt sich unterwegs. Läuft, tobt, spielt. Erkundet die Wiese, jeden Hügel, diesmal wird der kleine Bach noch genauer unter die Lupe genommen. Er springt über Stock und Stein. Es ist eine Freude ihm zuzusehen. Lebensfreude. Auf dem Rückweg ist er deutlich entspannter. Das hat ihm gefehlt. Raus. Lauf. Ich kann nicht. Es tut mir so Leid. Ich fühle mich so schuldig.

Er lässt sich in Ruhe abtrocknen. Er lässt sich in Ruhe das Geschirr ausziehen. Wir kuscheln. Dann geht es für uns alle aufs Sofa. Mir hat die Gassirunde gleichzeitig Kraft gegeben und alle Kraft genommen. Schlafen. Schlafen.

Tschüss

P.S. Ich habe auch hier wieder ein paar ältere Blogbeiträge verlinkt. Hier kann man nachlesen worum es genau geht, bzw. was passiert ist. Kliniken und Co. verlinke ich gern direkt auf deren Seiten. Heute gibt es ein wahres Linkfest!

vor 6 Jahren

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