Mittwoch? und Gefühlschaos

Mein Tag startet ruhig. Mein Mann liegt noch neben mir im Bett. Im geht es nicht so gut und er hat sich für heute krank gemeldet. Ich lasse ihn schlafen. 

Statt coldbrew gibt es einen heissgebrüten Kaffee. Draußen im Garten. In der Morgensonne. Ich genieße es sehr. 

Gestern habe ich doch sehr mit mir und der Welt und überhaupt allem gehadert. Diät, Training,  Ernährung, eben an allem. Mein Kreislauf war nicht auffindbar,  ich hatte Frass ohne Ende und der elende Restspeck an meinen Armen nervt ungemein. Nach einem Abendspaziergang ging es dann auch wieder etwas besser.

Meine Grundstimmung ist heute eher positiv mit einem kleinen Lächeln verziert. Bis:

Ein Päckchen kommt. Es ist von meiner Mom. Sicher die Strickjacke, die sie selbstgemacht hat. Ich freue mich. Tatsächlich friere ich zur Zeit ständig. Da ist ein Strickjäckchen schon eine feine Sache. Meine Stimmung kippt schlagartig als ich das Päckchen öffne. Ich konnte es auch nicht weiter inspizieren. Was gestricktes habe ich wahrgenommen. Aber vorallem die blaue Klarsichthülle mit der Aufschrift ‘Erinnerungen (…)’. Es verstezt mir einen so tiefen Stich,  dass ich das Päckchen direkt zur Seite stelle. Schon einmal habe ich eine Tüte voller ‘Erinnerungen’ bekommen. Dinge die ich als Kind gemalt oder gebastelt habe. Salzteig mit winzigen Fußabdrücken. Es hat sich damals angefühlt als würde ich ‘ausradiert’ werden. Als würde meine Kindheit, meine liebevoll gebastelten Geschenke an meine Mutter einfach verschwinden und damit ein Teil von mir. 

Auch heute fühlt es sich so an. Ich bitte meinen Mann etwas später mit mir zusammen zu gucken. Ja,  etwas gestricktes. Aber auch diese kleine krumme Holztigerente auf die ich so furchtbar stolz war und die, in meinen Augen, das beste und schönste Geschenk war liegt mit im Päckchen. Ich kann nicht mehr und muss das Wohnzimmer verlassen. Mein Mann stellt das Päckchen weg. 

Ich fühle mich ausgestoßen,  vertrieben, ausradiert,  nicht gewollt,  nicht geliebt. Ich weiß dass es nicht der Grundgedanke dieses Päckchens ist. Es soll mich an meine Kindheit erinnern. Das tut es nicht. Es ist ein Rauswurf aus dem Herzen. 

Ich würde jetzt gerne meine Laufrunde machen. Leider bin ich nicht für dieses herrlich warme Sonnenwetter geeignet. Nicht zum Laufen. Im nähren Umkreis gibt es nur offene Felder. 

Stattdessen häkel ich weiter. Meine Hände zittern soll stark,  dass ich kaum die Maschen treffe. Vielleicht sollte ich doch in die Küche gehen. Mir den Kloß im Hals mit ordentlich Kaffee runter spülen. 

Ich backe vor mich hin. Ist nur eine Kleinigkeit. Ablenken tut es mich nicht. Der Coldbrew von gestern läuft durch den Filter. Ich höre das Tröpfeln und das Brummen des Backofens. Ich kann kaum schlucken. Kaum atmen. Wie ich es drehe und wende. Ich will das Päckchen nicht. Ich werde die Gefühle nicht los. Mir ist eiskalt und kochendheiss. Meine Ohren rauschen und mein Kopf ist wie mit Watte vollgestopft. Alle Energie und Freude von heute laufen aus mir heraus. Ich fühle mich wie nach einem Marathon. Ich würde am liebsten alles Essen auf der Welt in mich reinstopfen nur um irgendein anderes Gefühl zu bekommen. Magenschmerzen. Übelkeit. Sind für mich im Augenblick verlockender als dieser Kloß im Hals der mich ersticken will. 

Meine kleine Backerei geht schief. Ich habe den Teig zu fettig gemacht. Es backt nicht durch.  Dämliches Nutella. Dann nach der doppelten Backzeit scheint doch noch irgendwie alles geklappt zu haben.

Das Gefühlschaos weicht einer Leere. Einer resignierten Leere. Wie finde ich die richtigen Worte für meine Mom? In mir schreit alles nach sofortigen Rückzug. Ich weiß dass ich beim letzten Mal erwähnt habe wie sehr mich dir Tüte Erinnerungen verletzt hat. Jetzt bekomme ich ein Päckchen voll damit. Vielleicht wäre ein Teil in Ordnung gewesen. Vielleicht auch nicht. Aber diese Flut an kindlichen Meisterwerken? 

Ich muss das Haus verlassen. Wir gehen kurz einkaufen. Eindeutig noch zu warm um laufen zu gehen. Ich bekomme ein Schokominzpflänzchen und ein Ananas-Salbei Pflänzchen. 

Ich schreibe meiner Mom eine Nachricht. Dann versuche ich mit dem Thema abzuschliessen. 

Eine Menge Häkelei liegt noch vor mir und ich bin einfach nur noch müde und ausgelaugt. 

Tschüss 

P.S. Ich habe das Päckchen dann doch noch öffnen können. Darin befanden sich abgesehen von den Erinnerungen (die ich als Leihgabe ansehen soll. Damit kann ich wohl umgehen) ein großartiges selbstgestricktes Tuch, dazu eine Fliegenklatsche nach finnischer Art, zwei Büchlein und einen Spatz. Vielen Dank dafür!

vor 7 Jahren

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