Gefangen 

Heute ist wieder so ein Tag an dem ich alles anfange und nichts zu ende mache. 
Ich finde mich immer wieder auf meinem Sofa wieder. Einfach nur dasitzend. 

Keine Energie. Keine Motivation. Die Nacht habe ich nicht besonders gut geschlafen. Trotz Notfallmedi. Nehme ich es nicht, schlafe ich noch bescheidener. Wirre Träume. Wachliegen.

Gestern hatten wir Besuch von Schwiegervater und seiner Schwägerin. Ich habe vegetarisch gekocht/gebacken. Tomaten Quiche und Lachs. Als Nachtisch gab es Avocado-Schokocreme. Alle waren begeistert. Ich habe nichts gegessen. Natürlich wurde das auch hinterfragt. 

So ist das eben beim Bodybuilding. Einmal gibt es viel und einmal wenig. Heute gibt es eben wenig

Ich tue mich schwer auf meine Ernährunggewohnheiten zu antworten. Es ist eben so wie es ist. 

Anfangs konnte ich mich gut auf unseren Besuch einlassen. Ich habe Umarmung gleich abgeblockt. Hand geben war ok. Mehr ging nicht. Ich habe ein paar Arigurumi-Bücher bekommen. Hat mich wirklich sehr gefreut! Daran habe ich mich heute morgen direkt versucht. Klappt. Ich kann die Anleitungen wohl doch langsam lesen.

Unsere Gesprächsthemen sind immer die gleichen. Man erlebt eben nicht viel. Geht mir auch so. 

Meine Anspannung wollte nicht weniger werden. Ich konnte dann auch nur noch dabei sitzen. Als dann der Vermieter anfing die Hecken und Bäume vor dem Haus zu beschneiden war es bei mir vorbei. Ich musste eine Weile das Wohnzimmer verlassen. 

Auf die Frage warum mich das stört konnte ich nur ein 

Ich mag es eben nicht

Herauswürgen. Natürlich ist das nicht mal annähernd erklärend. Für mich bedeutet es,  dass man in meinen privaten Bereich eindringt. Mein Nest, meine Burg,  meinen Sicherheitsbereich verletzt. Ungefragt. Unkontrollierbar. Dazu wurde der Sichtschutz gestutzt. Man hat die Mauern meiner Burg eingerissen. Ausgeliefert. 

Drei Leute sind draußen herum gelaufen. Drei Leute die da nicht hingehören. Dazu Leute in meinem Haus. Schwere Situation für mich. Ich habe schon überlegt eine Putzfrau ein-, zwei Mal die Woche im Haus zu haben. Einfach nur um mich daran zu gewöhnen. Es droht keine Gefahr.

Natürlich kam die Sprache dann auch auf Rebeca. Keine gelungene Kombination. Ich musste sehr mit mir kämpfen um den Raum nicht zu verlassen. 

Eigentlich hätte am Abend noch eine Runde Laufen angestanden. Die Anspannung und der Stress des Tages, dazu die Selbstvorwürfe,  die ich mir mache,  haben dann doch die Vernunft halbwegs siegen lassen. Kein Laufen. Das wäre in einer mittleren Katastrophe geendet. Dafür gab es ein Glas Gewürzgurken… und noch mehr Vorwürfe. 

Trainingslog und Instagramm liegen brach. Es kostet mich so ungeheuer viel Kraft mich darum zu kümmern. 

Kleine Hörnchen

Ich wandere zur Zeit öfter durch meinen Garten. Die Wiese ist übersät von kleinen Ahörnern. Überall wachsen kleine lilablaue Blümchen. Meine Kiwi hat auch schöne grosse Knospen bekommen. Mein Gewächshäuschen platzt aus allen Nähten und ich hätte gern ein Hochbeet. 

Ich bereite mich auf mein Training vor. Trotz vielleichter Nebenwirkungen nehme ich L-Tyrosin eine Stunde vor meinem Training. Die Sonne scheint. Ich bereite meine Supps für die nächsten Tage vor. Heute möchte ich heißes Porridge statt baked Oatmeal. Dann reibe ich Avocadokerne. Natürlich hobel ich mir den Daumen. Ich trinke Kaffee. Der Fernsehr läuft. Keine Ahnung was. Meine Laune ist irgendwo im inneren Nebel verschollen. Ich bin traurig und niedergeschlagen. 

Besser wird es nicht, als mein Mann die Einladungen für seinen 40. Geburtstag herum schickt. Ja… irgendwie ist die Feier an unserm Hochzeitstag. Es trifft mich schon. Schließlich ist es unser Tag. Andererseits feiert er praktisch nie Geburtstag und er hat sich seinen Tag verdient. Zwiegespalten. 

Ich möchte nicht in den Keller. Ich mag mich verkriechen. Ich werde trotzdem in den Keller gehen. Mein Trainingsprogramm durchziehen und mich weiterhin schlecht fühlen. Ich komme einfach nicht daraus. Niemals. 

Meine Gedanken wandern hier hin und dorthin. Habe ich mich heute morgen noch in einem gedanklichen Zwiegespräch mit Schwiegervater befunden,  in dem ich ihm erläutere warum es wohl kein Treffen mehr mit meinen Großeltern geben wird,  sind es jetzt nur noch Gedankenfetzen. Unwichtig. Ziellos.

Ich muss nun wirklich in den Keller. Keine Vorfreude. Kein Kribbeln. Keine Lust Bilder mit meiner neuen Kleidung zu machen. 

Irgendwann im Mai habe ich einen neuen Termin mit meiner Psychologin. Das kommt davon wenn man mal einen Termin absagen muss. Also wieder Blindflug mit irgendeinem Medikament, das nicht hilft. Zu meinen Therapeuten geht es irgendwann in den nächsten 10 Tagen. Auch den Termin musste ich absagen. Anfangs sind wir nur davon ausgegangen nicht fahren zu können, weil Rebeca angeschlagen ist und ich sie nicht mitnehmen wollte geschweigedenn allein Zuhause lassen wollte solang sie diese schweren Krämpfe hat. Ich habe einfach vergessen einen neuen Termin zu machen. Obwohl mein Therapeut nachgefragt hat. Auch das ist in meinem inneren Nebel abhanden gekommen.

Ich verliere mich schon wieder hier beim Schreiben. Ich bin wie festgeklebt. Nur meine Finger bewegen sich und schreiben wie von alleine. 

Es wird mich viel Kraft kosten jetzt gleich aufzustehen. Eine kleine Stimme meldet sich in meinem Kopf. 

Denk daran, gestern hat sehr viel Energie und Kraft gekostet. Kein Wunder, dass du heute ein bisschen schwächelst. Das ist normal. Das ist nicht schlimm.

Das Training war gut und wichtig. Ich habe wirklich den Kopf etwas klar bekommen, nicht lang,  aber immerhin.

Meine Maiswaffel mit Banane und mein Porridge habe ich im Garten gegessen. Dabei habe ich ein wenig gelesen,  die Meisen beobachtet und eine kleine Maus, die sich täglich das holt was die Meisen aus ihrem Futter sortieren. 

Nicht lang und meine Anspannung steigt. Vor dem Haus sind Radfahrer unterwegs. Bölkend unterhalten sie sich. Auto- und Motorradgeräusche. Ortsausgang hier gibt jeder Penner Gas. Trecker auf dem Acker nebenan und die Ställe hinter dem Haus werden ausgemistet. Es kracht und rumpelt. Stimmen. Ich muss rein in mein Nest. Ich ertrage den Lärm nicht. Ich will nur den Lärm der Natur. Nichts menschgemachtes. Ich will hier weg. Ganz weit weg. Ich will ins nichts. Kein Lärm. Keine Menschen. Nur der Wind und ich. 

Ich lege mich in die Badewanne und lasse meine Gedanken wandern. Vielleicht sollte ich auf eigene Faust das Land verlassen. Das Nichts suchen und gucken ob es in Echt auch für gut befunden wird. Zurück kann ich dann immernoch. 

Ich nehme mir fest vor ins Feld zu gehen. Jetzt! Bis hoch zum Baum und etwas auf der Bank sitzen und lesen. Ich ziehe Leggins und Tanktop an. Mütze auf. Die Sonne hat ordentlich Kraft. In meine kleine Tasche packe ich mein Buch,  etwas Wasser,  mein Telefon und meinen Schlüssel. Los. 

Vor der Tür im Schatten ist jemand. Schwarz gekleidet. Ich habe ihn vorher nicht gehört. Sammelt die Äste und Zweiges von gestern ein. Dazu wieherd eins der Pferde immer und immer wieder. Trotzdem verlasse ich das Haus. Meine Beine zittern. Mir fällt es so schwer einen Schritt vor den anderen zu setzten. Ein Bundeswehrflugzeug erregt meine Aufmerksamkeit. Dann taucht ein Radfahrer wie aus dem Nichts hinter mir auf. Zwei Kinder vor mir. Ich muss eh die Straßenseite wechseln. Meine Abzweigung ins Feld. Nach wie vor sind meine Beine zittrig. Ich fühle mich unbeholfen. Ein der Bälger brüllt mir hinterher. Ich ignoriere es und gehe weiter. 

Der Weg zieht sich endlos. Ich versuche meinen Blick und meine Gedanken auf mein Ziel zu heften. Keine Chance. Der Motorenlärm der Straße wird unerträglich. Ich habe nicht einmal dir Hälfte des Weges geschafft als ich völlig verschwitzt und der Panik nahe umdrehe.

Natürlich kommt mir der Jeep des Vermieters entgegen. Natürlich dreht er Sekunden später um und fährt wieder an mir vorbei. Ich muss mich dazu zwingen nicht zu rennen. Ich stetze langsam und bedacht einen Fuß vor den anderen. 
Es wird immer schlimmer. Meine Beine zittern nun deutlich und mein Mund ist trocken. Obwohl ich einen Schluck trinke. Der Mann ist nun vorne an der Strasse. Ich hebe zum Gruß kurz die Hand und gehe in mein Haus. Ich fühle mich kein bisschen besser. Keine Erleichterung. Ich muss hier weg. 

Ich bin meine eigene Gefangene.

Ich nehme meine Notfallmedizin. Sicher komme ich gleich zur Ruhe. Mein Avocadoflaff wartet. Obwohl die Pralinen, die ich gestern bekommen habe lautstark danach verlangen gefressen und ausgekotzt zu werden. Nein. 

Tschüss 

vor 7 Jahren

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