Nein nein nein und nein 

Ich mag nicht aufstehen. Mein Mann muss heute dringend zum Arzt. Deshalb lässt er mich länger schlafen. Trotzdem bleibe ich noch eine Weile liegen. Ich komme einfach nicht hoch. Alles sträubt sich in mir. Wozu. Warum. Für einen weiteren Tag Leere. 

Ganz mechanisch läuft alles Weitere ab. Putze mir die Zähne, lüfte und verteile Vogelfutter an den Fenstern. Dann gehe ich in den Keller und ziehe meine Laufsachen an. Erst auf halber Strecke merke ich, dass ich überhaupt los bin. Mein Kopf ist völlig leer. Ein Schritt vor den anderen. Es ist sehr windig. Ich ziehe meine Mütze weiter über die Ohren. Der Wind zerrt an meinen Ohrstöpseln und erzeugt so ein Rauschen. Ich höre einer Geschichte zu. Versuche aufmerksam zu bleiben. Eine handvoll Menschen begegnen mir. Ein Auto, dass ich nicht habe kommen hören, weil der Wind so sehr an meiner Mütze zerrt. Nach 3/4 der Strecke setzt mein Kopf wieder ein. Hund. Schmetterling. Vogel. Nichts zusammen hängendes. Infofetzen. Wolken. Klatschmohn. Pferdeäpfel. Ich werde eine neue Strecke laufen müssen. Länger. Ich stolpere ins Haus. Pace um eine Minute verbessert. Zur Kenntnis genommen.

Mein Mann liegt auf dem Sofa. Ganz blass. Ich mache mir Kaffee und ihm Frühstück. Ihn hat es wirklich bös erwischt. 

Während ich mir noch einen Kaffee mache und meine Mann sein Früchteshake, schläft er ein. Ich nutze die Zeit um ein paar Nachrichten auszutauschen, Blog zu schreiben und Löcher in die Luft zu starren. 

Mein Therapeut hat sich noch nicht gemeldet. Ich hasse es Termine so kurzfristig absagen zu müssen. Ich habe gestern schon mehrfach nachgeschaut ob die Mail auch wirklich rausgegangen ist. Bla…

Hunger habe ich keinen. Trotzdem sollte ich was essen. Ich werde in der Zeit, die mein Mann beim Arzt verbringt, schnell den Einkauf erledigen. Also wieder Gemüsepuffer. Ich nehme die grosse Pfanne einer bekannten Marke. Warum auch immer brennt darin grundsätzlich alles an. Der Boden ist verbogen. Auch das kann ich mir nicht erklären. Nie wieder Produkte dieser Marke. Das Gemüse schneide ich mit diesem unheimlich scharfen Messer. Mein Mann hat es zum Geburtstag bekommen. Tomatenscheiben hauchdünn. Durch den Rotkohl wie durch Butter. Ich sehe vor mir wie es durch Haut und Muskeln schneidet. Ich verbiete mir diesen Gedanken. Das Messer behandel ich wie ein rohes Ei. Die Puffer sind gut. Endlich eine Verwendung für die 3 kg Sojaprotein. 

Mein Mann sitzt beim Arzt. Alleine ziehe ich durch die Gänge des Einkaufsladens. Ich bin sehr angespannt und hektisch. Mein Mund ist trocken und ich zittere. Versuche mich auf das Sortiment zu fokussieren. Teil um Teil sammel ich ein. Ich beachte die Menschen um mich herum nicht. Auch hier alles mechanisch. Wie in einer Wolke. Lästige Pflicht. Um irgendeine Art Kommunikation oder Interaktion mit anderen Menschen haben zu müssen, gehe ich an die kurzen Getränkekassen. Ich bin gezwungen Leute vor zu lassen. Sicher ärgern die sich über mich, da ich im Getränkemarkt meinen kleinen Grosseinkauf auspacke. Kasse ist Kasse. Höflich lasse ich jemanden vor. Zahle mit Karte, räume meinen Krempel ein und verschwinde mit einem fröhlichen ‘Danke, schönen Tag noch’. Lächeln. Winken. Leer. Automatisch. Maske.
Größtenteils habe ich Dinge eingekauft, die meiner Attacke zum Opfer gefallen sind. Nein, keine Süßigkeiten. Haferflocken, Mats um ein Müsli selber zu machen, Milch, Nudeln, Joghurt, Gemüse, ein paar Bananen und Kirschen.

Noch schnell in die Apotheke. Ein Kleinkind brüllt wie am Spieß. Als Mutter und Kind draußen sind, fängt die Apothekerin an zu quasseln, wie hart so ein brüllendes Kind doch sein muss, es hat Schmerzen und schreit die ganze Zeit. Ich ignoriere die Frau. Mich interessiert es nicht. Schon gar nicht schreiende Kinder. Mein Mann antwortet höflich, während die Apothekerin, die uns bedient, im gefühlten Schneckentempo die Medikamente zusammen sammelt.

Zuhause bin ich fahrig und nervös. Auch hier räume ich mechanisch alles aus. Jedes Teil an seinen Platz. Ich bereite einen kleinen Snack zu und setzte mich dann aufs Sofa. Abendessen steht fest. Und der Tag ist hoffentlich bald rum. 

Tschüss 

vor 7 Jahren

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