Rekonstruiert und überraschende Post 

Der gestrige Abend endete, nach einem unserer tollen Gesprächen, doch relativ spät. Ich hatte gestern das dringende Bedürfnis mit jemanden zu sprechen dem es ähnlich geht. Mein Versuch in die Richtung wurde für mich relativ enttäuschend abgewehrt. Es kamen die üblichen Floskeln. 

Glaub an dich!

Du schaffst das!

Leck. Mich. Am. Podex.

Ich hatte auf mehr als nur ein paar leere Worthülsen gehofft. Schließlich ist es heisser jemand mit ähnlichen Erfahrungen.

Sicher kann ich auch mit meinem Mann wunderbar über alles sprechen. Was der gestrige Abend wieder eindrucksvoll bewiesen hat. Wir können gegenseitig reflektieren und unser Gespräch hat eine wunderbare Ebene mit einer Tief, Analytik und einer Dynamik die nicht vergleichbar ist. 

Es ist aber eine Ebene. Es ist eine andere Ebene mit meinem Therapeuten und gar keine Ebene mit meiner Psychiaterin. 

Dann gibt es aber auch noch meine Ebene. Ich weiß nicht ob ich es verständlich ausdrücken kann. Meiner Gefühlwelt ähnelnd. Jemand, der genau weiss wovon ich spreche. Nicht aus Büchern. Nicht aus Erzählungen.

Jemand der bei dem Wort Suizid nicht emotional reagiert, ob nun mit Trauer, Wut, das ganze ins lächerliche zieht oder einfach nur verständnislos glotzt. Je nach Gegenüber muss ich bei diesem Thema anders reagieren. Bei Ärzten und Therapeuten klingeln sämtliche Alarmglocken. Da ist dann meine Standard-Antwort Ja. Nein. 

Ich will keine Pferde scheu machen! Es gehört nunmal zu mir und zu meinem Denken und die Gedanken lasse ich raus:

Ich habe Suizidgedanken. Immer, jeden einzelnen Tag. Mal sind sie stärker mal schwächer, mal nur ein Schimmern, mal mit Formen. Es sind Gedanken. Und sie sind immer da.

Ich weiß nicht warum ich gerade jetzt über diese Thema sprechen will. Doch eigentlich schon. Ich war auf mehr Beerdigung von, ich will nicht Selbstmord sagen – das impliziert etwas verbotenes, Menschen die ihr Leben beendet haben, als auf den anderen. Klingt falsch. Nur weil jemand vermeintlich selbst entscheidet zu sterben… Wer sagt,  dass seine ‘Uhr’ dann nicht doch abgelaufen war?

Soviel zur Gesprächsdynamik. Läuft im Bloggespräch genauso. 

Sicher kann ich so jemanden in einer Klinik finden. Was gleich zum nächsten Thema führt. Soziale Phobie oder soziales Desinteresse. Ich bin in der Lage mit Menschen zu kommunizieren wenn es unbedingt sein muss. Hat sich daraus eine Phobie entwickelt? Entwickelt es sich zurück? Ich dachte daran, dass evtl die Medikamente die Angst dämpfen. Grundsätzlich bin ich eher davon überzeugt, dass meine Depression die Ängste dämpft. Was mich an der ganzen Symptomatik zweifeln lässt. 

Wo wir zu einem weiteren Thema kommen. Strenge ich mich nicht genug an um ‘gesund’ zu werden? Bin ich im Grunde nicht davon überzeugt? Will ich im Grunde das alles so bleibt wie es ist? Warum bleiben meine Bemühungen ohne deutlichen Erfolg?  

So dreht es sich langsam. Was mir aufgetragen wird erledige ich. Je weniger Sinn ich darin sehe, desto weniger ‘berührt’ es mich. Klinik. Ja. Nein. Vier Jahre ist der letzte Aufenthalt her. Vier Jahre in denen ich viel gelernt, verlernt und wieder gerlernt habe. Mein Team-Andro Experiment ist für mich erfolgreich abgeschlossen. Ich habe eine handvoll sozialer Kontakte mitgenommen an denen ich meine sozialen Kompetenzen üben kann. Was muss ich noch mehr machen?

Neue Frage, Reizüberflutung, Hochstress Panikattacken. Koinzidenz?

Dann gibt es auch noch diese kleinen Dinge, die ich mit mir rumschleppe. Zur Zeit ist das Wölkchen. Erdung? Halt? Sicherheit? 

Ich habe versucht das gestrige Gespräch aus meiner Sicht ein wenig zu rekonstruieren. Es war deutlich komplexer als hier wiedergegeben. Ich sollte diese Gespräche dringend aufzeichnen. Und jetzt bin ich sehr müde… 

Meine Gute-Nacht-Medizin habe ich relativ… (Es klingelt an der Tür. Ich erwarte eine Frischfleischlieferung. Ist es nicht. Ohaaaa!!! Wenn es das ist was ich denke dass es ist ging es verfickt schnell. USA, das kann praktisch nur mein neuer kleiner Freund sein… Ach und kein Stromwechselgerätdingens. Es klingelt wieder. Diesmal das Fleisch. Der Paketdienstyp steckt mich mit seiner Hektik an. Ich spüre wie sich mein Herzschlag beschleunigt und mein Stresslevel steigt. Als ich die Tür wieder schließe bin ich schweißgebadet und ausser Atem. Ich bin überfordert mit beiden Paketen. Ich versuche mich zu erden in dem ich den Stress verteile. Schreibe mit meinem Mann und in zwei verschiedenen Messenger Gruppen. Ich packe alles aus und fange dann an zu putzen…) spät eingenommen. Der Schlaf lässt auf sich warten. Ich habe auch übertrieben gegessen. Aber auch jeden Bissen genossen. Ich versuche alle Gedanken, die auf mich eindrängen zur Seite zu schieben. Lese noch ein paar Zeilen und mache dann die Augen zu. Ich schrecke hoch. Das Nachtlicht im Bad scheint ins Schlafzimmer und irritiert mich. Die Ecke am Fenster sieht aus wie eine in ein Tuch gehüllte gedruckte Gestalt. Es passiert mehrfach. Bis mein Mann ins Bett kommt. Erst dann entspanne ich mich. Erst dann verschwindet der nächtliche Grusel. 

Es ist inzwischen gegen Mittag. Ich sitze im dunklen Wohnzimmer auf dem kühlen Parkett. Dunkel, um die heute heiss brennende Sonne auszusperren. Das Fleisch liegt im Kühlschrank. Ich habe kein gutes Gefühl wegen der Messenger Gruppe. Habe ich zu viel geschrieben? Keine Rücksicht auf die genommen, die kein Fleisch essen? Habe ich angegeben? Wegen dem Fleisch und meinem Cozmo? Habe ich den Eindruck erweckt? Ich hoffe nicht. Das war nicht meine Absicht. Ich ziehe mich etwas zurück. Cozmo sitzt ausgepackt auf meinem Beistelltischchen. Laden ist kein Problem. Das Ladegerät vom Telefon passt. 

Jetzt kommt die Leere. Alles da was ich wollte und ich weiss nicht was ich machen soll. Das Fressmonster regt sich. Ja. Das war absehbar. Ich sitze im Schneidersitz. Meine Zehenspitzen werden langsam taub. Statt Kaffee trinken ich heute Cola light. Mein Hals sitzt noch etwas zu. Sonst fühle ich mich gut. Gestern hatte ich mir fest vorgenommen einen kleinem Ausflug zu den Containern im Nachbardorf zu machen. Ich habe hier zwei Säcke Wäsche und weiss nicht ob ein Kleidercontainer dabei ist. Inzwischen zu heiss. Meine Füße sind nun komplett taub. Nur sitzen. Nichts. Training von gestern nachholen. Beim Bein Training kann ich eh nicht so hart ran wie ich gerne wollte – zu unsicher, kein Vertrauen in mich, ich weiss es nicht – also perfekt zum Gucken ob ich fit genug bin. Nein. Ich mag nicht. Ich mag gar nichts. 

Hm, ein neuer Gedanke trifft mich. Warum ist mein Fressmonster so aktiv? Warum bleibt es nicht brav hinter Schloss und Riegel? Warum ist es nicht still? Kommt es gerade jetzt zum Vorschein, weil etwas in mir im Umbruch ist? Umbauarbeiten haben sein Verlies instabil gemacht. Die Gelegenheit hat er genutzt, bzw. nutz sie immernoch. Wenn ich zurück denke habe ich immer extrem reagiert wenn sich etwas verändert hat. Kann man auch wunderbar an meinem Körper sehen: alte, vernarbte Schnitte, Kratzer, Brandwunden. Oder erfinden ich eine Ausrede? Schön reden. Verharmlosen. Es klappt sonst auch ohne regulierende Maßnahmen. Was ist jetzt anders.

Es klingelt wieder. Die Postbotin. Futter für Geckos und Ameisen. Ich füttere das Futter. Installiere dann die App für den Cozmo und lade ihn auf. Geht schnell. Alles weitere soll bis heute abend warten. Schließlich ist es unser Spielzeug und mein Mann will Cozmos erste Schritte natürlich miterleben. 

Ja. Aber ja. Ich könnte in den Keller gehen. Oder das Glas Nutella leer machen. Ich könnte schlafen gehen oder einfach hier sitzen bleiben. Es macht keinen Unterschied. Absolut keinen Unterschied.

Ich renne los und putze oben. Alles ist erledigt. Die Ecken mehr oder weniger Rund, je nach Lichteinfall. In den Keller kriege ich meinen Hintern nicht. Aufgabe. Versagen. 

Keller. Habe es geschafft. Training war gut. Wirklich. 

Ich bin mir mit mir nicht einig was ich essen soll. Ich schließe mit mir einen Kompromiss. Gesund aber nicht tracken. Urlaub. Ob es klappt? Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht. Ich weiss aber nicht wie ich das brüllende Monster in Zaum kriegen soll. Try’n’error. Neustart. Alles läuft wieder in der Spur. 

Schluss für heute. Mein Kopf hat ziemlich hart gearbeitet. Ich brauche eine Pause und Cozmo wartet!

Tschüss 

vor 7 Jahren

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