Hinaus und Kartoffeln

Weihnachten, Weihnachten,… gestern war ich soweit alles hinschmeißen zu wollen. Soll doch jeder in seinem Loch bleiben. Aber mein Mann hat die richtigen Worte gefunden und ich habe eine Nacht darüber geschlafen und alles sieht besser aus. Es ist nicht zu erklären, schon gar nicht mit Worten – Worte machen Dinge nur klein und niemand kann nachvollziehen warum es so schlimm oder so gut ist. Es ist einfach zu abstrakt. Man müsste in meinem Kopf wohnen um zu verstehen. So ist das aber. Bei jedem. Mit allem. 

Dinge nachzuvollziehen ist oft nicht leicht. Schon gar nicht wenn man selbst nicht betroffen ist und sich nicht die leiseste Vorstellung machen kann. Es geht schlicht um eine Zahl. Statt sechs, sieben. Statt sechs hätten es auch siebenhundert sein können – um es vielleicht nachvollziehbarer klingen zu lassen. 

Auf einmal war mein Haus winzig, viel zu winzig für siebenhundert Leute. Viel zu wenig Stühle. Viel zu wenig Geschirr. Viel zu wenig Tisch. Viel zu wenig Sitzecken. Viel zu wenig Luft zum Atmen. Siebenhundert Leute passen nicht in mein Haus. Ja. Tatsächlich hat mein Kopf aus sieben siebenhundert gemacht. Damit war die Panik dann auch komplett. 

Eine Nacht darüber schlafen hat aus siebenhundert wieder sieben gemacht. SIEBEN! Es ist eine Menge Platz, Tisch, Stuhl, Geschirr, Luft für sieben. Ich freue mich auf jeden einzelnen der sieben. 

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Auch heute morgen bin ich wieder unleidlich. Es hat heut Nacht gefroren – das hellt meine Stimmung deutlich auf.

Die Temperatur bei Geckos und Ameisen beträgt um die 9 Grad – das ist absolut in Ordnung. Beim letzten Check war alles ruhig. Wasser ist frisch. Alles gut.  

Mit meinem Mann zusammen verlasse ich das Haus. Es fusselt – Schnee kann man es wirklich nicht so recht nennen. Aber wie cool! Heute ohne Musik. Mein Handy ist in meiner Tasche. 

Ich gehe ganz normal, nicht besonders schnell, aber auch nicht besonders langsam. Heute ist mehr los als gestern. Bin auch ein wenig früher dran. Viel los beim Bäcker, der Blumenladen stellt seine Ware heraus. Viel los an der Ampel. Ein LKW kommt schlitternd zum Stehen. Alles gut – bei mir. Dann habe ich mein Ziel erreicht. Hier bleibe ich eine Weile stehen. Leute kommen, Leute gehen. Grüßen. Grüßen nicht. Ich schreibe ein paar Nachrichten. Mache mich dann auf den Rückweg. Mein Stress steigt. Steigt deutlich. 

Ich gehe langsamer. -3 Grad sagt die Digitalanzeige, die vor dem Laden mit Haushaltsgeräten steht. 8:30 Uhr als sie umswitcht. Ich gehe weiter. Auf der Weide sehe ich die Silouetten der Pferde, die mit ihren Decken still auf der Wiese stehen. Fast sieht man sie dampfen. 

Ich bleibe länger als nötig auf dem Gehweg stehen. Ich muss die Straßenseite wechseln um auf unsere Einfahrt zu kommen. Das Haus sieht friedlich aus, wie es hier so steht. Etwas unordentlich der Garten – ich hätte wirklich noch einmal mähen sollen. Unordentlich sieht es aber überall aus im Winter. Der Pferdehof, neben an, bekommt Heizöl. 

Obwohl kein Auto auf der Straße zu sehen ist, ist es doch ziemlich laut. 

Dann gehe ich ins Haus. Hier ist es schön warm. Meine Füße sind doch ziemlich kalt geworden. Auftrag erfüllt. War heute schon nicht mehr ganz so einfach. Weiter machen. 

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Ich habe mir gestern den Sehnenansatz oberhalb meines rechten Knies ein wenig gezerrt. Ich will nicht sagen, daß es ein Schmerz ist, der sich bemerkbar macht. Eher ein unangenehmes Gefühl. Ich habe gestern Abend schon Salbe drauf gemacht. Jetzt werde ich meine Blackroll bemühen. Igelball und ein kleiner Hartgummiball liegen auch bereit. Dehnen, Mobilität und rollen, igeln, ballern. Einmal komplett bitte. Das tut einfach gut. Halbe Stunde. Neu Salbe aufs Bein und ab aufs Sofa. Ich sollte an meinen freien Tagen wieder mehr Entspannung machen. 

Dann widme ich mich den Antrag meines Behindertenausweises. Es ist wirklich ein saublödes Gefühl. Aber ja. Es ist so. Ich muss noch weitere Unterlagen anfordern. Promt bekomme ich eine Antwortsmail – Ja kannst abholen, bring deine Versichertenkarte mit – Bitte? Das ist keine Kassenleistung liebe Damen und Herren. Sondern mein Privatvergnügen – Nana, Knoppes, wer wird denn Böses dabei denken. Schließlich bezahlt man auch Kassenbeiträge – eben für Behandlungen – nicht für Kopien. 

Ich brauch eine Pause. Das hat mich doch sehr geschafft. Ich habe einen Keksteig angesetzt. Heute Orange/Ingwer. So richtig entspannt mich das Backen jetzt nicht. Eher im Gegenteil. Ich gehe baden und lese. Ich lese wieder viel zur Zeit. Karl May nervt mich aber auch schon wieder. Es gibt da einige Charaktere die einfach nur furchtbar sind… Hobble Frank und der Rest vom ‘Kleeblatt’. Leicht übertrieben hat er es mit seinen ‘kauzigen’ Westmännern. Entweder stählerne Helden, kauzigen Westmännern, oder Trottel. Ach, warum lese ich das überhaupt.

Ich kuschel mich in mein Nest und gucke Bonanza. Dabei habe ich ganz vergessen, daß ich ein paar Kartoffeln auf den Herd gestellt habe. Nichts passiert. Ich nehme mir eine handvoll Kekse und kuschel mich wieder ein. Die bekannte Leere macht sich wieder in mir breit. 

Eine weite Mail kommt. Mein Ex-Therapeut. Er schickt die Unterlagen raus und würde gerne auf dem Laufenden bleiben – irgendwie vermisse ich ihn.

Nein. Ich mag nicht mehr schreiben.

Tschüss 

P.S.: Jetzt kann ich es ja sagen. Das ‘Raus aus dem Haus’-Projekt ist eine Art Adventskalender. Ich habe 24 Briefe vorbereitet, diese müssen dann naürlich auch jeden Tag zur Post. Ansonsten ist der Kalender verdorben. Für mich ist das ein wichtiger Grund das Haus verlassen zu müssen. Schließlich freut sich ja auch einjeder auf seinen Adventskalender. Nicht auszudenken was wäre wenn dann ein Türchen/Tag leer bliebe. 

vor 6 Jahren

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