Panik und Zwangshandlung

Ich schreibe mit der Halsbanddesignerin. Seit ein paar Tagen gehen eifrig Mails hin und her. Es ist für mich sehr anstrengend, aber ich denke es wird sich lohnen und Lex wird das beste Halsband der Welt bekommen – also Halsbänder der Welt.

Es kommt die Auftragsbestätigung und damit die Bitte den fälligen Betrag vorab auf ihr Konto zu überweisen. Was dann passiert kann ich nicht mehr wirklich nachvollziehen:

Die simple Überweisungsfrage löst bei mir eine Panikattacke aus.

War es überhaupt eine?

Was war das gerade?

Es geht um meine Tan-Liste und den Ort an dem ich sie nun aufbeware – ich weiß schlicht und einfach nicht wo das sein soll. Seit dem das Arbeitszimmer meines Mannes nicht mehr im Keller ist, hat auch meine Tan-Liste ihren Platz verloren und ich weiß beim besten Willen nicht wo sie nun ist. Ich stehe somit vor einer für mich unlösbaren Aufgabe.

Erst suche ich ganz normal, doch mit jedem Ort an dem ich suche und diese Liste nicht finde baut sich bei mir immer mehr Stress auf – das ganze wird zum Zwang, ich kann erst etwas anderes machen wenn ich diese Suche für mich positiv abgeschlossen habe – das heißt ich muss diese Liste finden.

Ich habe vorher schon versucht die Sache zu unterbrechen. Es war mir schlicht nicht möglich. Keine Logik, kein lautes Ermahnen haben helfen können (manchmal lassen sich Zwangsgedanken bei mir durch ein gedachtes oder auch lautes “nein” unterbrechen, Zwangshandlungen durch eine logische Erklärung warum dieses oder jenes gerade Quatsch ist). Ich brauche die Liste nicht. Mein Mann kann ebenso gut eine Überweisung für mich machen, davon abgesehen haben wir auch unser gemeinsames Konto auf das ich locker hätte zugreifen können. Nein. Schlicht nicht möglich. Für mich nicht lösbar.

Ich laufe vom Keller in den ersten Stock und wieder zurück. Durchwühle jedes einzelne Zimmer. Ich weiß nicht wie oft ich die Treppen hoch und runter laufe. Ich fange dabei krampfartig an zu weinen. Dabei sage ich immer wieder

Ich muss sie finden

und

Bitte hilf mir, Bär! Es hört nicht auf!

Dieses Mantra füllt meinen ganzen Kopf aus.

Ich fange an zu hyperventilieren, so stark, dass ich Nasenbluten bekomme. Ich renne immer noch die Treppen hoch und runter. Suche an allen Stellen noch mal und nochmal. Es hört einfach nicht auf. Ich kann auch nicht sagen wie lang dieser Ausbruch gedauert hat.

In der Hoffnung, daß mein Mann dieses Zwangshandlung unterbrechen kann, schreibe ich ihm eine Nachricht – klappt nicht.

Bär, ich kann nicht aufhören…!

Irgendwann bin ich so schlapp vom Hyperventilieren und herum rennen, daß mir schwarz vor Augen wird und ich mich hinsetzten muss. Dann ist es vorbei.

Ich frage mich nach solchen Zwangshandlungsattacken immer öfter ob ich nicht doch einfach nur eine Art Autismus habe. Ich bin einfach nur ein Autist und das macht mich depressiv und bring auch all die anderen Special Effects mit. Mein Therapeut sagte damals

nein – kein Sheldon.

Es kostet mich alle verbleibende Kraft nicht wieder auf die Suche zu gehen. Ich habe keine Ahnung, wohin ich das Teil gedonnert habe. Es ist auch nicht so wichtig, daß es jetzt sofort und auf der Stelle gesucht werden muss. Wahrscheinlich liegt sie doch einfach bei meinem Mann im Zimmer. Irgendwo gut weggepackt, dahin wo man sie ganz bestimmt wieder findet. So ist es doch immer wenn Sachen einen neuen Platz bekommen. Für immer aufgeräumt.

Zum Training muss ich nun gleich wieder in den Keller. Ich hoffe, daß ich die ehemalige Arbeitsplatzecke einfach aus meinem Blickfeld verbannen kann. Manchmal klappt das. Ich hoffe, der Suchdruck wird nicht zu groß und ich hoffe daß daraus nicht wieder eine komische Attacke entsteht. So oder so, war ich eben wieder kurz davor mir meinen Kopf an die Wand zu schlagen, nur damit dieser Zwang endet.

Das Training verlief ganz gut. Es hat auch wirklich gut getan. Obwohl ich meine Mobi unterbochen habe um ausgebig den Schorf an meinem Arm abzupuhlen, konnte ich mich direkt wieder auf das Training fokussieren.

Hinterher verfalle ich in einen Putzwahn.

Jetzt bin ich so schlapp, daß ich Mühe habe die Worte für diesen meinen kleinen Blog anständig zu formulieren. Meinen Trainingseintrag lasse ich ganz sausen. Rack Deads gabs heute mit 80 kg und ne Extrarunde unterstützte Klimmzüge. Ich komme mit meinem Essen nicht hinterher.

Inzwischen ist mein Mann auch wieder zuhause. Die Überweisung ist erledeigt und ich überlege ob ich mich nicht vielleicht doch mit meiner Bedarfsmedikation abschießen soll.

Tschüß

vor 6 Jahren

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