Eindeutig nein und ich kann nicht raus

Mein Mann ist schon aufgestanden, Lex und ich liegen noch im Bett. Langsam robbt er vom Fußende hoch. Hält mir seine kalte Nase ins Gesicht und kuschelt sich dann in meine Armbeuge. So liegen wir noch eine kleine Weile. Dann gibt er mir mit einem feuchten Hundekuss zu verstehen, daß wir nun langsam aufstehen müssen…

Bis dahin ist meine Laune ganz gut. Die Sonne scheint auch. Es ist aber kalt und sehr windig. Als mein Mann dann zur Arbeit aufbricht, ist meine Laune weg. Ich fühle mich winzig klein und kraftlos. Erstmal wieder hinlegen. Ich möchte heute den Clicker in Lexis Training einsetzten. Hatte ich bisher noch nicht gemacht. Ich freue mich darauf. Erstmal den zweiten Morgen. starten…

Pause

… nein. Hat nicht geholfen. Ich fühle mich nur noch kleiner. Ich schaffe es nicht mit Lex raus zu gehen. Wir sind im Garten und dann wird etwas geclickert. Er macht es so gut. Als ich dann anfange zu weinen setzt er sich vor mich und bellt. Er weiss nicht was er machen soll. Ich auch nicht. Er kommt zu mir aufs Sofa. Setzt sich hinter mich. Dann ist er wieder auf dem Boden und legt sich einfach hin. Ich habe mich soweit wieder gefasst.

Mit Hilfe vom Clicker versuche ich ihm die Krallenschere schmackhaft zu machen. Ja. Nein. Sie ist ihm suspekt. Als er dann tief ins Spiel mit seinem Ball vertieft ist, kann ich ihm problemlos die ein oder andere Kralle kürzen. Ich bürste ihn, darauf folgt eine Spielerei. Es tut gut. Kann mich aber nicht aus meinem Loch holen. Ein Auto steht in der Einfahrt. Kann nur Post sein. Ich nehme Lex mit in den Flur. Setzte ihn hin und gehe dann aus der Haustür. Ich mache die Tür nicht komplett zu. War wohl ein Fehler, eine kleine Pfote angelt nach draußen. Im gleichen Moment ist Lex auch schon draußen. Ich versuche ruhig zu bleiben –

Du hast das gerade verbockt, es wird aber nichts passieren. Er läuft dir nicht weg!

Es dauert einen Augenblick bis ich Lex überzeugen konnte mit mir wieder herein zukommen.

Ich muss zurück auf mein Sofa. Einfach nicht mein Tag. Er fühlt sich so unendlich schwer an. Draußen stürmt es. Mein kleiner Ausflug zum Briefkasten hat sich aber gelohnt. Post von der Stadt – Lexis Marke. Wir haben nun ein schwer offizielles Hundchen.

Endlich offiziell!

Langsam wird es Zeit, daß meine wichtige Post kommt. Ende letzten Jahres habe ich einen Schwerbehindertenausweis beantragt. Es war eine enorme Überwindung für mich – aber es ist eben so. Ich kann nicht leisten was ein “Gesunder” leisten kann. Ich bin massiv eingeschränkt. Ich arbeite daran ja, aber es wird auch nicht heute oder morgen besser werden und solang bin ich eben massiv eingeschränkt.

In den nächsten Wochen muss ich mich auch wieder um die Verlängerung meiner EU-Rente kümmern. Ich weiß nicht ob ich diesmal auch automatisch einen Verlängerungsantrag bekomme – ich habe mir jedenfalls schon mal eine Notiz in meinen Kalender gemacht. Man muss immer mit einer gewissen Vorlaufzeit rechnen. Ende August läuft sie aus. Im April sollte ich mich darum kümmern. Ich weiß nicht, ob es dann auch wieder so reibungslos geht wie bei der ersten Verlängerung. Ich habe meine Unterlagen eingereicht und sofort eine Verlängerung um zwei Jahre bekommen. Ich hatte damit gerechnet wieder zu einem Gutachter zu müssen. Ein weiteres Mal kann ich die Rente noch verlängern. Danach muss dann geprüft werden ob ich dauerhaft berentet werde… Das klingt alles so blöd… Ich habe mir das so nicht vorgestellt!

Ich seufze viel – Stressabbau. Hilft jetzt nicht so gut. Mir ist kalt und ich bin unruhig, gleichzeitig aber auch völlig kraftlos. Die beste Kombination…

Mein Mann kommt heut abend etwas eher nach Hause, wir wollen mit Lex in den örtlichen Baumarkt. Das entschädigt hoffentlich etwas für unseren ausgefallenen Gassigang.

Mein Hals ist wie zugeschnürrt, jeder Handgriff fällt mir unendlich schwer. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Mich nicht konzentieren. Ich laufe immer wieder hin und her. Ohne Ziel. Ohne Aufgabe. Der Tag ist einfach unendlich lang. Ich kann einfach nur da sitzen und ins Nichts starren. Kopfschmerzen. Bedarfsmedikation – soll ich, soll ich nicht. Der Tag wäre beendet sollte ich eine Pille nehmen. Es gehen dann einfach alle Lichter aus. Der Tag ist aber noch viel zu lang dafür. Ich muss wach sein.

Atmen. Fällt mir so schwer. Als würde mir ein Berg auf der Brust liegen.

Vielleicht ziehen Mann und Hund heute einmal alleine los.

Tschüss

vor 6 Jahren

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