Termin und soweit ganz ok

Der Morgen startet recht früh. Passt mir allerdings ganz gut, denn heut am frühen Nachmittag habe ich einen Termin in der MHH bei meinem Lieblingsprof. Gestern ist es mir siedend heiß wieder eingefallen. Angst und Sorge sind sofort aufgeflackert. Ich musste und muss mir immer wieder selbst gut zureden. Heute gehe ich ganz alleine hin. Das heißt ich gehe ganz alleine durch die halbe MH bis hin in den Flügel für Geistige Gesundheit. Vor genau fünf Jahren bin ich täglich diesen Weg gegangen. Vor fünf Jahren war gerade die aller schwerste Zeit in der Klinik “vorbei”. Dennoch hat sie ihre Spuren hinterlassen und das wird mir bei jedem Gedanken an einen weiteren Besuch, bzw. einen weiteren stationären Aufenthalt nur allzu bewusst. Ich versuche diese Gedanken und vor allem die Ängste von damals zur Seite zu schieben. Ich werde ja nicht da bleiben. Wir besprechen was im letzten dreiviertel Jahr passiert ist, wir sprechen wahrscheinlich auch über Lex und über meine Angst in die Tagesklinik zu gehen, meine Unsicherheit und irgendwo auch mein fester Glauben, daß mir ein Tagesklinkaufenthalt nichts bringen wird. Mich nicht mit mir selbst weiter bringen wird. Mir keine neuen Erkenntnisse bringen wird. Ich alles stoisch über mich ergehen lassen werde. Aber nicht bei der Sache sein werde, irgendwo in mir selbst abgekapselt. Brav mitmachend um es schnell hinter mich zu bringen – das ist wenig zielführend… Sicher wäre hier nochmal die Möglichkeit einer genauen Diagnostik gegeben. Es bestünde auch die Möglichkeit mich richtig medikamentös einstellen zu können. Einmal alle Laborwerte von oben bis unten durchchecken. Ja,… Ich weiß. Ich weiß es doch. Ich weiß aber auch, daß ich mich all meinen Baustellen geballt immer wieder stellen muss, ich darf keine Möglichkeit haben mich da irgendwie durchzuwinden. Ich muss dabei sein. Ich muss bei mir sein. Die Sache mit Lex fühlt sich da einfach helfender an. Ich muss. Ich muss. Ich muss. Ich habe keine andere Wahl. Es wird einfach alles scheitern wenn ich nicht dran bleibe.

Der Grund meines Besuches beim Prof. ist eine Botoxinjektion in die Stirn, genauer gesagt in die Zornesfalte. Aber auch in die Sorgenfalten, die ich mir statt der Zornesfalte dann zurecht runzel. Ich habe ja schon öfter über das sogenannte Biofeedback geschrieben – schau böse und du kommst schlecht drauf. Bei mir verselbstständigen sich meine Sorgen- und Zornesfalten. Ich merke nicht mal mehr wenn ich sie runzel. Oft weißt mich mein Mann darauf hin. Durch das Botox, dessen volle Wirkung nach etwas 10 Tagen eintritt, wird mir das Runzeln genommen. Ich erfahre dadurch eine Stabilisierung meiner Stimmungsschwankungen. Was mich oft im Ganzen handlungsfähiger macht.

Vielleicht hat der Prof. auch noch eine Idee. Eine Idee mich ohne Tagesklinik unterstützen zu können. Schließlich ist er ganz vorn mit dabei wenn es um alternative Heilversuche geht.

Mein Training wird heut früher stattfinden. Mein Magen grummelt. Ob von der Schokolade von gestern Abend, oder durch die Aufregung kann ich nicht sagen. Ich gehe mit Lex in den Garten, wir spielen etwas. Ihm geht es endlich wieder gut, gestern hat er wieder gefressen und heut auch keinen Durchfall mehr.

Ich bin wirklich sehr aufgeregt. Mir ist fürchterlich kalt, trotz 22 Grad im Haus.

So sehr ich mich um Gelassenheit bemühe, so sehr regt mich die Dame am Empfang auf. Schnaufend versucht sie meine Daten in den PC zubekommen. Endlich lässt sie mich gehen. Ohne meine Karte – das dauert noch eine Weile. Ich warte auf einem Gang. Unaufhörlich laufen Menschen an mir vorbei. Mitarbeiter, Mediziner, aber auch defitiv Betroffene. Das was ich sehe ist so sehr abschreckend, daß ich am liebsten die Flucht ergreifen will. Ich will nicht so enden. Nein. Nein. Nein. Hundertmal nein. Ich will auch nicht mit diesen Menschen näher in Kontakt kommen. Nein. Ich will nicht, daß es auf mich abfärbt. Quatsch ist das. Ich kann mich der Gedanken nicht erwehren. Keine Chance. In meinem Kopf wachsen alle möglichen Szenarien. Mein Mund ist trocken und mein Hals wird immer enger. Und wenn die mich einfach hier behalten? Das passiert nicht. Nein. Nicht gegen deinen Willen. Du willst nur etwas Botox und im Gegenzüg füllst du einen Zettel aus. Ein Kleinkind rennt an mir vorbei. Eben ist es mir schon in die Arme glaufen. Wieso läuft es frei rum. Es gibt Menschen die mögen keine spontanen Kinderkontakte.

Endlich ruft er mich auf. Ich kann sprechen und mich auch gut erinnern. Er ist so, einfach ein guter Typ mit dem man sprechen kann. Wir kommen relativ schnell zur Sache, bzw. zur Nadel. Er spritzt mir, wie auch beim letzten Mal, alle Einheiten. Kopfschmerzen werde ich kriegen. Die Tagesklinik spricht er nur kurz an. Sobald Lex eine Tagesbetreuung hat werde ich mich bei ihm melden.

Fertig.

Wir machen noch eine Abstecher in die Firma meines Mannes. Richtig überzeugt bin ich davon nicht. Es wird zu viel sein… Aber Lex. Also weiter. Kaum was los. Dafür fällt es mir schwer Lex die Zuständigkeit abzunehmen. Er lässt es auch kaum zu. Eigentlich sollte mein Mann, ich lass ihn nicht. Trotzdem nehme ich ihm Lex immer wieder ab.

Jetzt mag ich nicht mehr.

Tschüss

vor 6 Jahren

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