Fàilte gu Alba – Teil I

T-0 Letzte Vorbereitungen und schöne Tage Bebimann!

Der Wolf weckt uns stürmisch. Heute ist das Pubertier wohl wieder stark. Macht nichts, der Lex geht nämlich gleich in die Hundepension.
Während mein Mann Lex wegbringt putze ich durch das Haus.

“Lex ist direkt auf und davon gesprungen. Treulose Tomate…”

Erzählt mir mein Mann als er die letzten Sachen in den Koffer quetscht. Ein spätes Frühstück und dann geht es auch schon los Richtung Hamburg . Flughafen. Wir fliegen nach Schottland. Nach Hause.

Geduldsprobe für meinen Mann und mich. Teilweise bin ich völlig gelassen. Teilweise jenseits der Panik. Wetter in Edinburgh. Das Flugzeug kommt schon verspätet. Endlich drin. So eng. Viel zu nah. Handgepäckchaos. Wir verpassen den ersten freien Slot und auch den zweiten. Rollbahn, endlich und gleich wieder zurück. Technischer Defekt. Warten. Fast drei Stunden Verspätung. Eben nur fast. Dafür gibt es Wasser, eine Cola und ein Twix.

Endlich in Edinburgh angekommen ist es dunkel. Was ist mit dem Mietwagen? Wir haben noch zwei Stunden Fahrt vor uns. Was ist mit dem B&B – eine kleine Villa mit Türmchen Bendarroch House, mein Mann hat sie so schön ausgesucht. Ich schicke meinen Mann alleine zur Autovermietung los. Edinburgh Flughafen – fast kein Problem für mich. Ich hole alleine den Koffer und laufe alleine durch den Flughafen, an der Tram vorbei zum Carrental. Die Luft ist herrlich. Leute strömen um mich herum, an mir vorbei. Ich habe nur mein Edinburgh im Kopf. Endlich. Endlich wieder zuhause.

Wölkchen ist sicher gelandet

Es geht gleich los nach Pitlochry, keine Zeit für ein Abendessen. In der Villa mit Türmchen wartet man auf uns. Dunkel und Linksverkehr, nicht nur einmal erschrecken wir uns vor entgegenkommenden Autos. Alle da wo sie hingehören nur eben so ungewohnt. Endlich ist sie in Sicht, die Villa mit Türmchen. Während ich meinen Rucksack aus dem Auto hole ist mein Mann mit dem Koffer beschäftigt. Aus dem Augenwinkel sehe ich seinen berühmt berüchtigten Hüftschwung… Und das dazugehörige Furzgeräusch. Ich muss ein Kichern unterdrücken denn ich sehe auch Ian, unseren Gastgeber. Er begrüßt uns in der typischen schottischen Art freundlich, aufgeschlossen. Ja, Ian sieht aus als würde er einen guten Furz zu schätzen wissen. Er führt uns durch sein Reich, zeigt uns das Zimmer wünscht uns eine gute Nacht und verabschiedet sich. Man muss ich lachen. Furzgeräusche sind mein Kryptonid. Nicht selten enden diese Tönchen in ausgewachsenen Lachflashs mit Luftnot und Bauchweh und Tränen und einem verständnislos Mann. Wie albern kann man sein?

 

Das Zimmer ist toll! Das Bett ist das bequemste auf der Welt. Ich sinke in zahllose Kissen und Decken. Endlich wieder frei sein. Endlich Schottland. Endlich Highlands. Endlich loslassen.



Tag 1: Tea or Coffee, Glen Coe und Skye 

Früh sind wir wach. Gestern Abend haben wir noch unsere Frühstückswünsche durchgegeben, Ian hat darauf bestanden: Full Scottish Breakfast. Jammi! Jetzt ist es auch hell und wir können die nähere Umgebung der Villa mit Türmchen bestaunen. Der Fluss, über den wir gestern gefahren sind ist deutlich zu hören. Vor unserem Fenster geht es direkt in einen dichten Wald. Wir gehen eine mit dicken Teppichen belegte Treppe herunter. Überall Bilder an der Wand und Figuren in Nischen. Der Frühstücksraum ist gemütlich eingerichtet, ein Kamin, viel Nippes und ein herrlicher Blick über den Garten mit ein paar Bergen im Hintergrund. Ian und seine Frau sind da, lustig, unterhaltsam und gut gelaunt.

“Would you like Tea or Coffee?”

Tea! Natürlich! Schlichter schwarzer englischer Frühstückstee. Nur in Schottland schmeckt er so gut. Es gibt eine Auswahl an Cerealien, Joghurts und Säften – wie überall, denke ich. Langsam füllt sich der Raum. Niederländer und ein weiterer Deutscher. Spannend dem Gewirr der unterschiedlichen Sprachen und dem Lachen von Ian zu lauschen.

Das Frühstück ist reichlich und großartig: Baked Beans, Bacon -kein Kochschinken, aber auch kein Speck -, Spiegelei, gebratene Pilze, Tomaten  und Sausages – oft schmecken die recht fettig, etwas ganz anderes als unsere Bratwürste, diese hier scheint aber eine Mischung aus beidem zu sein. Sehr gut! Für mich gibt es Bohnen, Spiegelei und Haggis. Was sonst!

Genauso schnell wie wir hier gestern eingefallen sind, verabschieden wir uns. Schade, das Häuschen hatte was. Aber es geht weiter Richtung Skye. Geplant war hier eben nur diese eine Übernachtung um eben nicht die ganze Strecke noch am Abend machen zu müssen.

Wir bleiben einen kurzen Augenblick auf der Brücke stehen. Der Fluss ist doch recht breit, steinig, Stromschnellen. Ein herrliches wildes Rauschen.

Kaum über der Brücke halten wir auch schon wieder. Ich habe schon im Foyer der Villa mit Türmchen die Auslage der Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten den Flyer von Iain Burnett The Highland Chocolatier bestaunt.

“Ach komm, lass uns mal gucken… handgemachte Pralinen sehen immer so toll aus!”

Beste Entscheidung! Besten 100ml (ja wir haben beide ob der winzigen Menge nen Flunsch gezogen) Hot Velvet Chocolate – the best in Europe (da habt ihr nicht übertrieben). Flüssige Schokolade. Nix Kakao. Flüssige Schokolade! Ich musste meinen Mann tatsächlich zur heißen Schokolade überreden! Kann man sich das vorstellen? Da saßen wir also einen Augenblick später mit vor verzücken gerunzelten Gesichtern an unseren Schokoladen nippend. Ich kann gar nicht sagen welche Aromen uns da auf den Zungen explodiert sind, süß, fruchtig, aber auch herb, erdig, etwas Schärfe, samtig weich, kernig mit einem wunderbaren Gefühl etwas wirklich Perverses getan zu haben. Und ja, die winzigen Becher waren wahrlich genug Genuss – wenn man das überhaupt so sagen kann. Mehr wäre einfach zu viel – zu viel an Geschmack. Zuviel an Intensität. Weniger wäre einfach zu wenig. Als kleines köstliches Andenken hat sich jeder von uns noch eine Tafel Schokolade und eine kleine Tüte schokolierten Fudge ausgesucht. Man will es ja auch nicht übertreiben.

Weiter geht es. Wir fahren eine Weile bis wir eine Einkaufsmöglichkeit finden. Es wird Zeit für unserer erstes Meal-Deal. In Deutschland kommt es erst jetzt nach und nach, in England bzw. Schottland ist in jedem Laden gleich zu Anfang eine große Kühltheke mit einer Auswahl an Sandwiches, Salaten, Yoghurts, Snacks, Getränken und Süßkram die man sich selbst zusammen stellen kann. Ich nehme nur einen Blattsalat – es gibt auch Nudelsalat und Wraps – nein, ich nehme Oliven und Schafskäse dazu. Natürlich auch zwei Dosen Irn Bru. Irgendwie muss ich das in Schottland haben. Für meinen Mann gibt es ein Sandwich und Weingummis. Natürlich.

Wir fahren Richtung Glen Coe. Abseits unserer bisher bekannten Route durch Glen Etive zum Loch Etive.

 

An dem essen wir auch zu Mittag. Auf der Route durch das Glen Coe sind wir bisher immer auf der Rückreise durchgekommen. Hier ist relativ viel los, die Landschaft schon auch spektakulär, aber noch nicht die “richtigen” richtigen Highlands. Es ist eine unglaubliche Menge los. Auch nicht wirklich ungewöhnlich. Es fällt aber vor allem auf den Singletrack Roads auf. Immer wieder stoßen wir auf parkende Autos. Auf den ohne hin teilweise wirklich schmalen oder auch schlecht einsehbaren Straßen eine ziemlich blöde Idee. Es gibt genug andere Möglichkeiten die dazu da sind zu halten, aus zusteigen und Fotos zu machen.

Ich versuche mich zu beruhigen in dem ich mir immer wieder sage, dass das hier schon immer voller war.  Es gelingt mir nicht wirklich und auch mein Mann ist dabei keine große Hilfe. Immer wieder stellt er Vergleiche zu seinem Besuch im September vor 10 Jahren an. So ist es nun mal. Mehr Leute. Weniger ruhige Orte.

In unserm B&B Tir Alainn auf Skye können wir ab 17:00 Uhr einchecken. Kein Problem, die Zeit bis dahin ist schneller um als gedacht. Wir haben hier einfach viel zu viel zu gucken. Am Glen Etive haben wir eine Stelle an einem Fluss gefunden, an dem nichts los war, mein Mann hat die Drohne eine Runde fliegen lassen und ich habe am Wasser ein paar Fotos gemacht. Nach und nach hielten dann doch einige Autos und so sind wir wieder los.

Halten, Fahren, gucken. Die Heide hier ist auch schon recht abgeblüht. Schade. Es ist sonnig, hin und wieder leicht bewölkt, einmal gibt es ein paar Tropfen scottish Confetti. Es geht vorbei am Eilean Donan Castle, dem Highlander Schloss, weiter, immer weiter Richtung Isle of Skye.

Wir entscheiden uns gegen die Fähre und für die Brücke auf die Skye. Die Landschaft ist weit. Endlos. Die Heide weniger verblüht. Schafe. Rinder – nein, keine Hairy Coos, die gibt es hier ganz wenig. Wahrscheinlich weil sie eher optischen denn wirtschaftlichen Nutzen haben. Gegen halb sieben kommen wir im B&B an. Auch hier werden wir herzlich begrüßt. Ich habe schon befürchtet, dass die Schotten für diese Saison die Schnauze voll von Touristen haben. Sind wir wirklich noch Touristen? Wenn wir könnten wie wir wollten würden wir längst! Warten wir 2019 ab. Unser B&B liegt herrlich. Wir sehen Meer und Berge, Heidelandschaft und Wälder.

“If you like to have your dinner – you have to hurry. Skye is busy!”

Ok! Dann aber los! Wir bekommen eine handvoll Adressen genannt, dazu die ein oder andere Information zu den Lokalitäten

“Headless Chickens but delicious food!”

Dazu jede Menge Lächeln und Augenzwinkern. Ron hat kaum Zeit, dennoch nimmt er sie sich. Auch hier wird ein Abendessen serviert und zwei andere Gäste warten schon. Warum essen wir eigentlich nicht hier? Pam, Rons Frau wirbelt durch die Küche, doch auch sie nimmt sich die Zeit für ein freundliches Hallo und schönen Abend!

Am ersten Restaurant – The Claymore Restaurant – haben wir tatsächlich Pech. Es ist knüppel voll. Schade, auf eine Cullen Skink (Schellfischsuppe – Haddock bzw Cod gibt es hier überall) haben wir uns wirklich gefreut. Wir werden aber sicher noch die Gelegenheit dazu bekommen. Fisch soll es heute dennoch geben. Wir entscheiden uns für das Creelers BistroVery good local seafood as it´s speciality, but also offers a good selection of traditional Scottish dishes with an interesting slant – Es hat wirklich eher Bistro denn Restaurant Charakter, die Preise taugen aber durchaus für gehobenere Genüsse. Die wir hier auch tatsächlich finden.

Mein Mann bestellt sich eine Fish Lasagne (Lachs, Shrimps, Muscheln, Nudelblätter, eben ne Lasagne mit ganz viel Meer. Dazu einen Salat), ich bekomme Monkfish with pernod creme reduction and chips (Seeteufel witzig! Teufel/Mönch, sehr köstliche Pernodcreme, Olivenmousse und handgemachte Pommes dazu einen Salat). Wirklich, wirklich köstlich. Die Aromen haben unglaublich gut zusammen gepasst. Toll. Ein Nachtisch darf natürlich nicht fehlen. Für mich gab es einen clootie dumpling with a crannachan chaser drizzled with a sweet buckfast reduction – das ist ein gedämpfter, dunkler Früchtepudding aus Mehl und kleingehackten Fruchtstücken (es schmeckt wie warmer Christstollen!), dazu ein schottisches Himberdessert und koffeinierter Likörwein – wohl die Streifen. Für meinen Mann gibt es auch einen Nachtisch, klingt allerdings weniger spektakulär: Chocolatecake with armagnac ganache – ein herrlich schlotziges Stück Schokokuchen, dicke Schokocreme mit Weibranddrüberschütt.

Damit war der Abend für uns auch relativ schnell zu Ende. Satt und zufrieden sind wir in die Betten gestolpert. Gute Nacht.



Tag 2: Taube, Portree und Cola Mango 

Pünktlich zum Lexmorgengruß werden wir wach – der kleine Mann hat uns sehr gut trainiert! Es ist bald Zeit für unser Frühstück. Gestern Abend wurden wir noch von Ron abgefangen:

“Tell me detailed: what did you do today, how was your dinner and what would you like to eat for tomorrows breakfast!”

Erst dann durften wir ins Bett.

Langsam schälen wir uns aus dem gemütlichen Bett. Irgendwann habe ich den Kampf gegen mein Monsterkopfkissen aufgegeben und bin einfach nen halben Meter weiter runtergerutscht. Der Nachteil an einer einzigen großen Bettdecke – ich war bis zum Haaransatz verschütt, während meine Füße über die Bettkante hingen. Nicht schlimm denn ich habe von meinem Cousinchen ein paar Socken bekommen.

Die Wolle hat sie aus ihren Flitterwochen auf Skye mitgebracht. Selbst gefärbt, gesponnen und verstrickt. Die sind natürlich mit im Gepäck bzw. am Fuß um ihre Heimat sehen zu können. Der Blick aus unserem Fenster ist unbeschreiblich. Wir beide sind noch immer nicht richtig in Schottland angekommen. Es ist so unwirklich und weit weg. Obwohl wir hier ganz fest stehen und sehen. Wasser, Heide, Berge, Luft. Nein. Es kommt nicht an. Ron und Pam sind wach und munter, Ron wuselt emsig im Frühstücksraum fragt nach unserer Nacht und unseren Wünschen zum Frühstück (Toast, Tea or Coffee, anything alse?), während Pam in der Küche unterwegs ist. Wir bedienen uns am frischen Fruchtsalat, dazu gibt es Naturjoghurt. Wir sitzen kaum, da kommt Ron auch schon wieder hereingewuselt. In der Hand eine kleine Kanne Tee.

“Homemade marmelade, blackcurrant and strawberry. Try it! What are your plans for today?”

Da isser auch schon wieder weg. Zurück kommt er mit zwei dampfenden Tellern. Scottish Breakfast diesmal mit Black Pudding. Zwei Gäste aus England gesellen sich dazu. Schnell tauscht man sich aus, also mein Mann und der Mann. Ich sitze da und nippe an meinem Tee. Ich spreche ungern englisch. Was total blöd ist, fabriziere ich doch jetzt schon ganze Romane im Englischen – aber eben nur in meinem Kopf.

Die Marmelade ist sehr sehr gut, überhaupt ist das ganze Frühstück frisch, lecker und mit Liebe zubereitet. Die Tomaten sind sogar ohne Haut. Der beste Black Pudding, den ich je gegessen habe. So könnte von mir aus jeder Tag beginnen.

Wir verabschieden uns und machen uns ausgehfertig. Wir würden uns gern die Fairy Pools, Talisker Bay und Neist Point angucken. Das Wetter könnte nicht besser sein. Sonne satt. Eine Taube kommt uns entgegen gehoppelt. Ein Flügel hängt etwas. Sie verschwindet unter dem Auto und ist weg… und nun? Sie hat es sich im Motorraum gemütlich gemacht. Ok, so können wir nicht starten. Irgendwann wird es der Taube dann doch zu bunt und sie hüpft wieder heraus und hoppelt davon. Nervt auch wenn von allen Seiten Menschen gucken. Nein fliegen kann sie nicht mehr. Wird sie wohl auch nicht mehr. Wir wurden die ganze Zeit beobachtet. Als wir los fahren läuft die Katze aus ihrem Versteck.

Die komplette Straße entlang der Fairy Pools ist mit Autos verstopft. Der kleine Parkplatz quillt über und Menschen soweit das Auge reicht. Menschen und deren Hinterlassenschaften. Zertrampelte Uferböschungen, Trampelpfade abseits der Wege… Ron wird uns später erzählen warum hier so viel los ist. Ich habe wenig Lust mich den Massen anzuschließen. Vielleicht erfüllt sich meine Hoffnung, die Menschen würden sich in dem weitläufigen Gebiet verlieren.

 

Die Drohne bleibt also im Auto. Hier gilt es mindestens 50 Meter Abstand zu Menschen und zu bewohnten Häusern zu halten. Die Kamera kommt mit. Auffällig ist, dass viele Leute die Wege zum “Hauptwasserfall” scheuen. Einfach auf halber Strecke wieder umdrehen oder gleich oben vom Parkplatz ein paar Fotos machen. Dennoch ist genug um und IN den Fairy Pools los. Ja, in. Ein paar Leute steigen tatsächlich ins Wasser und machen – keine Ahnung in deren Augen sollte es wohl sexy wirken – Bilder. Augen zu und durch. Je weiter wir gehen desto weniger ist los.

Wie ich es mir erhofft hatte. Wir gehen weit über die Fairy Pools hinaus, fast bis an den Fuß der Black Cuillins. Abgesehen vom Rauschen des Wasser ist hier nichts zu hören. Wir genießen die Aussicht – Gras, Heather, Peet and Rocks. Mein Mann ist irgendwo zum Bildermachen verschwunden und ich schaue mich alleine um. Sitze einfach nur da und genieße die Weite um mich herum.

Die Fairy Pools werden noch in meine persönliche Geschichte eingehen, als der Ort an dem ich zum ersten Mal die Bekanntschaft mit Midges gemacht habe. Jenen winzigen Stechbiestern, die in den Sommermonaten in Scharen über Mensch und Tier herfallen. Sie sind winzig klein. Ähnlich wie Frucht- und Gewitterfliegen. Allerdings ist deren Kontakt recht unangenehm. Es ist eine Mischung aus brennenden Stechen und juckendem Pieksen. Ich wische mir die Tierchen, die auf meinen nackten Unterarmen, an Hals und im Gesicht sitzen weg. Kleine rote Pünktchen. Mehr nicht… von wegen. Dann gehen wir gemeinsam zurück. Langsam werden es wieder mehr Menschen und wir sind froh als wir zurück beim Auto sind.

Es geht weiter. Talisker Bay. Eine Bucht umgeben von hohen Bergen, Steinen, Grasland und schwarzem Sand. Auch diese Gegend ist nicht für viele Menschen gemacht. Überall sieht man Schilder mit “No Parking” “Put Dogs on lead or they will be shoot to livestock” “Private”. Es ist ein weiter Weg zum Strand. Mehr oder weniger geht es durch privates Eigentum. Autos sind hier nicht erlaubt, die Weidengatter sind geschlossen zu halten. Hier laufen Schafe und Rinder. Sogar zwei Pfauen sind zu sehen. Ein Mann sitzt mit einer Taube auf seinem Hof und grüßt die Menschen die an ihm vorbei gehen. Hier ist deutlich weniger los als an den Fairy Pools. Auf halbem Weg – der wirklich auch schon nicht wenig war – entscheidet sich mein Mann zurück zum Auto zu laufen und die Drohne zu holen. Ich gehe derweil alleine weiter. Die Aussicht ist unbeschreiblich. Es macht fast einen Herr der Ringe-Eindruck. Die Felsen, die Berge, der schmale Streifen Bucht, das offene Meer. Im Hintergrund Kühe mit ihren Kälbern und Schafe. Steine. Schwarzer Sand. Selbst auf dem Rücken der Berge sind noch Kühe zu sehen. Wie sammeln die Menschen ihr Vieh hier wieder ein? Ich packe die Kamera aus und fluche ein wenig vor mich hin. Mein Mann hat den Filter auf dem Objektiv gelassen und die Einstellung ist in meinem Augen völlig verstellt. Ich scheue mich davor daran herum zudrehen und zu drücken. Zu wenig kenne ich mich damit aus. Ich versuche ja wirklich meinem Mann aufmerksam zu lauschen wenn er mir Kamera näher bringt, aber irgendwie bleibt es nicht hängen. Immerhin bekomme ich den Filter anständig herausgedreht und ich finde auch die kleine Dose in die er gehört. Aber wie nun die Blendzeit einstellen? Also dann erstmal so los und die Sicht ohne Linse vor den Augen genießen. Das habe ich in den vergangenen Jahren eh viel zu wenig gemacht. Kamera weg und bewusst genießen, die unzähligen Bilder schaut später eh niemand mehr wirklich an. Die paar Menschen haben sich hier schnell zerstreut. Nach einer Weile sehe ich meinen Mann, ich gehe ihm entgegen.

“Erschreck dich nicht, da liegt eine Menge Müll.”

Strandgut, an einer Stelle zusammen getragen. Endlich kann ich mit der Kamera losziehen. Gerade im Richtigen Augenblick. Eine Herde Kühe samt Kälbern kommt direkt auf uns zu. Ich hocke mich ins Gras und versuche mein Glück in der Tierfotografie.

“Falsches Objektiv!”

-“Jaja… das sagst du immer und meine Bilder sind trotzdem die Besten der Welt”

Ich schlendere entlang des schwarzen Sandes, immer ein paar Bilder machend. Genieße den Wind, der in leichten Böen an meinen Haaren zieht. Sauge die Landschaft und das Rauschen der Wellen ein. Mein Mann dreht Runde um Runde mit der Drohne über den Strand und ein Stück in die Bucht. Immer in Sichtweite. Am Strand direkt gibt es keine Muscheln. hier und da sind ein paar Wasserschnecken unterwegs. Ich habe eh ein Sammelverbot bekommen. Keine Steine, keine Muscheln. Es bleibt alles da liegen wo es ist. Keine Souvenirs, kein drölfter Schottlandschal. Mein Mann landet die Drohne und wir machen uns langsam auf den Rückweg. Es wird wirklich Zeit etwas zu essen. Weiter geht es Richtung Portree. Es ist schon später als gedacht und die Geschäfte schließen langsam. Wir bekommen noch zwei Sandwiches Piri Piri Chicken und Brie mit Preiselbeeren. Ein shortbread caramel bar für mich und ein Himbeer weiße Schokolade Muffin für meinen Mann und ein Eis! Wir gehen noch ein wenig durch Portree, gerade die bunten Häuser am Ufer sind schön anzusehen. Neist Point? Ja, oder nein? Wollen wir uns den Sonnenuntergang anschauen? Vielleicht haben wir Glück. Auf geht es.

   

Auf dem Weg dorthin entdecken wir eine Handvoll Hochlandrinder samt winzigem Kälbchen. Leider direkt an der Hauptstraße, hier halten wir nicht an. Es gibt also keine Fotos vom Flauschbaby – stellt euch Lex als Welpen in Braun und als Kalb vor. Neist Point. Ein Leuchturm an einer Steilküste. Herrliche Aussicht. Zerklüftete Felsen, Grasland, Brandung und Menschen… soweit das Auge reicht. Aber auch hier zerstreuen sie sich auf kurzer Strecke. Für meinen Geschmack machen sie dennoch recht waghalsige Sachen direkt an den steilen Klippen. Es wird eine Frage der Zeit sein bis herunter segelnde Touristen den spektakulären Ausblick für alle verderben. In Schottland ist praktisch nichts eingezäunt – abgesehen von den Viehzäunen – hat man fast überall freien Zutritt. Abgezäunt sind nur die Bereiche die wirklich gefährlich sind. Meist steht auch da nur ein Schild. Bisher haben wir auch nur eine Ruine entdeckt, die ringsherum abgezäunt und mit Schildern versehen war. Sicher war es die Kombi Einsturz gefährdete Ruine und Abbruch gefährdete Klippe. Umso verlockender ist es natürlich so nah wie möglich überall heran zu gehen. Ich gehe in sicherer Entfernung an den Klippen entlang.

Der Wind ist recht ordentlich. Mein Mann macht irgendwo Bilder. Nein ist mir zu nah, das will ich nicht sehen. Fall ohne mich da runter. Ist überhaupt nicht meins. Was Höhen in Kombination mit Wind angeht werde ich wirklich immer empfindlicher. Ich entdecke eine Art Bunker, Aussichtshäuschen.

Hier stelle ich mich rein und schaue über das Meer. Ein Wolkenband hat sich vor die Sonne geschoben. Mit einem Sonnenuntergang wird es wohl nichts. Endlich ist auch mein Mann da und langsam machen wir uns auf den Rückweg. Wir warten einen Moment im Auto. Verschwinden die Wolken? Ja, doch nein, halt dadrunter, in der Ferne, ist noch eine dicke Schicht. Die wird bleiben. Dennoch steigen wir ein weiteres Mal aus. Diesmal gehen wir einen anderen Weg. Auch die Leute die direkt am Leuchtturm auf der Klippe stehen verschwinden langsam. Der Abstieg im Dunkeln ist dann wohl doch nicht so ganz ohne Heimflug, kurzer Halt um für meinen Mann ein Sandwich zu holen. Ich bin zu müde zum Essen. Hat man das jemals von der Knoppes gehört? Zu müde zum Essen? Dennoch entdecke ich eine Diet Coke Mango und eine Coke Zero Peach – gehört ausprobiert! Aber Morgen…

  



Tag 3 Midges, Kreise und Regenbögen

Der Morgen beginnt doch schneller als diese unruhige Nacht vermuten lies. Ich habe nicht so gut geschlafen und bin froh, dass es endlich hell wird. Irgendwie albtraumig. Ich weiß es nicht. Unruhig. Nicht gut eben. Die winzigen roten Punkte die ich überall an den Armen, Gesicht und Hals habe sind zu roten Quaddeln geworden. Die teilweise wirklich fies kribbeln… Igitt! Und ich dachte noch das wäre nicht so schlimm. Nach einer heißen Dusche ist die unruhige Nacht vergessen, die juckenden roten Quaddeln halbwegs. Wir haben einen Elektroentmibbler dabei.

Zum Frühstück gibt es heute für mich Porridge

“No, thank you. Just naked.”

Antworte ich auf Rons Frage nach Honig or something else. Na, Glückwunsch Knoppes, waren deine ersten Worte hier… Schottischer Porridge ist eher salzig als süß. Schmeckt herrlich nach Haferflocken. Wärmt von Innen und von Außen. Ron kommt noch einmal auf die Fairy Pools zu sprechen. Es ist wohl eine Szene aus “Outlander” dort gedreht worden. Nun pilgern sie alle. Ron erzählt uns von einem Paar die hier auf Outlanders Fußstapfen unterwegs waren und im belted Plaid die Gegend erkundet und andere Fans getroffen haben. Klingt für uns im ersten Moment verrückt. Im Zweiten, als wir wirklich darüber nachdenken, nicht mehr so ganz.Wir haben ähnliches vor. Nicht in Schottland und auch eher in “zivil” aber dennoch. Er fragt was wir heute machen möchten. Es regnet in strömen, für die Mittag sieht es aber deutlich besser aus. Stört uns nicht weiter. Wir lassen den Morgen langsam angehen. Ein Regenbogen zeigt sich in all seiner Pracht über der Bucht, die wir direkt aus unserem Fenster sehen können.

Als es gerade besonders heftig regnet flitzen wir zum Auto. Wir fahren in den örtlichen Supermarkt und decken uns mit einem Mittagessen ein. Zurück im Auto stellen wir fest, dass wir das Stativ und das Besteck vergessen haben. Also nochmal auf Start. Dann geht es aber wirklich los. Old Man of Storr – diese Felsformation steht ganz oben auf der Wunschliste meines Mannes. Es ist kaum etwas los, der Regen lässt nach und wir freuen uns schon auf eine ruhige Wanderung. Bis wir um die Ecke zum Parkplatz kommen. Auto an Van an Camper an Auto – repeat. Egal. Jetzt sind wir hier wir gehen jetzt da hoch. Und wie wir gehen! Mal geschoben, mal gebremst. Schnaufend. Pause machend.

Der Weg ist steil, der Wind ist heftig. Je höher wir kommen desto weniger Menschen sind unterwegs. Aber auch hier meldet sich mein Höhen/Wind-Problem. Es wird so sehr zum Problem, dass wir umdrehen müssen. Mir tut es furchtbar Leid. Ich weiß wie sehr sich mein Mann gewünscht hat dort oben Bilder zu machen. Ich sehe aber nur eine Plattform an der Menschen im Wind runter segeln. Nein. Langsam gehen wir zurück. Fotos haben wir trotzdem im Gepäck. Regenbögen, Felsen, den alten Mann von allen möglichen Seiten.

Im Auto gibt es unser Mittagessen. Nichts aufregendes, Sandwich und Flap Jack für meinen Mann, Quinoa Salat für mich – zumindest der Anschein einer gesunden Ernährung muss gewahrt werden. Die Coke Peach schmeckt übrigens wirklich gut!

Der Regen, der teilweise in Strömen fließt, beschränkt sich auf die Momente in denen wir im Auto sitzen und von A nach B fahren. Hin und wieder erwischen uns schon auch ein paar Tropfen, dank Regenbekleidung sind wir beide aber kein einziges Mal so richtig nass geworden.

Wir fahren zum Quiraing, halten noch einmal kurz an den Lealt Falls, flitzen im Dauerlauf zurück zum Auto, keine Regenjacken an und die ersten dicken Tropfen fallen wieder…! Über meine geliebten Singletrack Roads geht es weiter. Hier stehen die Schafe auf der Straße, Gänsehaut beim Überfahren der Cattle Grids. Nein, nein, ich mag das Geräusch nicht.

Wir entschließen uns gegen eine weitere Wanderung und besteigen nur einen der näheren Hügel. Irgendwas an meinen Wanderschuhen scheuert fürchterlich an meinem Schienbein. Der kleine Aufstieg reicht dennoch für eine unglaubliche Aussicht. Auch hier gibt es immer wieder Regenbögen, lokal begrenzte Niederschläge direkt auf dem Meer, Sonnenflecken und Wind und Wolken und blauer Himmel. Wir kriegen hier gerade echt alles geboten. Die Heide blüht hier auch noch wunderschön. Ich kann mich gar nicht satt sehen.

  

Unser letztes Ziel des Tages ist das Fairy Glen. Fast wären wir weiter gefahren! Hier gibt es nämlich keinen Parkplatz. Ich, die Knoppes, habe jedoch vehement darauf bestanden und man! Wie gut! Es ist fast schon ein bisschen verwunschen hier.

Niedrige mit Moos bewachsene Bäume, eingestürzte Steinmauern, kleine Hügel mit Ringen, Farne, Steinkreise, Steintürme, dazwischen Schafe. Aussicht nach allen Seiten, Wasserfälle, Bachläufe. Es könnte tatsächlich eine Szene aus LotR sein. Es ist ein Spiel mit Regen und Sonne, Regenbögen und glitzernden Wassertropfen. Ich muss meinen Mann zurück zum Auto schicken, aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, hat er die Kamera nicht dabei. Manno! Ja, es regnet, aber auch nur ein paar Tropfen. Das sollte die Kamera aushalten. Er geht zurück während ich weiterlaufe – klammheimlich hat er umgedreht. Irgendwann bemerke ich sein Fehlen. Gut, habe ich eben laute Selbstgespräche geführt.

Ich stehe auf einem der kleineren Hügel. Von da aus habe ich einen tollen Blick über einen der Steinkreise und fast schon einer Armee Steintürmchen, zwischen einem grasbewachsenen Hügel und einem nackten schroffen Felsen. Die Sonne scheint direkt dadurch, Regen lässt alles glitzern, die Sonne lässt das feuchte Gras strahlen.

Mein Mann kommt zurück, er wischt sich die Hände an der Jacke ab. Oha. An der Hose sehe ich nichts. Hat er sich etwa im Matsch gemault? Eine Aura von “Du bist schuld” umgibt ihn. Er drückt mir die Kamera in die Hand und ich kann endlich Bilder machen. Wir gehen weiter in die Hügel, entdecken weitere Steinkreise, noch mehr Schafe und das was mal ein Schaf war. Ich kann mich nur schwer von diesen Ort lösen… Im genau richtigen Augenblick erreichen wir das Auto. Es gießt aus Eimern.

Zum Abendessen geht es wieder nach Portree. Ich liebe diese kleine Stadt mit den bunten Häusern am Hafen. An einem der kleinen Häuser holen wir uns Fish and Chips with Salt and Vinegar setzen und auf eine der Bänke direkt am Wasser und essen.

Immer ein Auge auf die Möwen, ist uns doch unser Erlebnis in Ullapool noch sehr eindrücklich in Erinnerung. Es war der Vorabend unserer Hochzeit und wir haben zusammen mit Cousinchen und Schwiegersin Fish and Chips dort am Hafen gegessen. Eine Möwe, der es offensichtlich nicht passte von uns keine Pommes zugeworfen zu bekommen, kam im merkwürdigen Sturzflug auf uns zugeschossen, einer von uns hat nur noch Achtung, Deckung oder was auch immer gebrüllt, mit Hechtsprüngen ging es zur Seite und schon platschte ein riesen Möwenschiss genau an die Stelle an der wir eben noch gegessen hatten. Mit schrillen Möwenlachen flog das Vieh davon.  

Nach diesen grandiosen Fish and Chips holen wir uns aus dem Supermarkt einen kleinen Nachtisch. Zurück im Auto fängt es auch hier an zu regnen. Es wird ein ziemlich heftiger Regen, der uns die gesamte Rückfahrt begleitet. Zwischen den Bergen und Tälern kann man ihn in böigen Schwallen herunterfallen sehen. Die großen und kleinen Wasserfälle überall an den Felsen und auch an den Straßen werden zu sprudelnden Fontänen.

Noch bevor wir den Hof zum B&B befahren, sehen wir wie Ron aus dem Wintergarten kommt. Unser fantastisches Empfangskomitee. Nachdem wir die Geschehnisse des Tages und vor allem das morgendliche Frühstück besprochen haben, fallen wir geschafft ins Bett.



Ende Teil I

vor 6 Jahren

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